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Allgemeines Screening auf Virusinfektionen für onkologische Patienten?

Autor: Josef Gulden

Virusinfektionen bleiben bei Krebserkrankten oft im Verborgenen – dabei sind diese besonders anfällig. Virusinfektionen bleiben bei Krebserkrankten oft im Verborgenen – dabei sind diese besonders anfällig. © iStock/vchal
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Routinemäßig werden Patienten mit neu diagnostizierter Krebserkrankung nicht auf Virusinfektionen wie HBV, HCV und HIV getestet. Sinnvoll könnte dies trotzdem sein, wie eine prospektive US-amerikanische Erhebung nahelegt.

Einige Studien legen nahe, dass HBV-, HCV- und HIV-Infektionen bei Krebspatienten häufiger als in der Allgemeinheit auftreten. Eine nicht diagnostizierte Infektion geht – wie allgemein bekannt – mit einem Übertragungsrisiko auf Angehörige und medizinisches Personal einher. Und auch Therapien können Infizierten natürlich nur zugutekommen, wenn ihr Status bekannt ist.

Psychologische Auswirkungen bei falsch positivem Ergebnis

Aber auch Argumente gegen eine flächendeckende Testung lassen sich anführen: Die Kosten wären erheblich – für die Aufdeckung womöglich sehr weniger Fälle. Und ein Einfluss auf die Prognose ist eventuell vernachlässigbar, die psychologischen Auswirkungen falsch positiver Testergebnisse wären jedoch groß.

Grundvoraussetzung für eine rationale Diskussion wären aber genauere Kenntnisse zur Prävalenz von Virusinfektionen zum Zeitpunkt der Diagnose einer Krebserkrankung. Um solche Zahlen zu generieren, in­i­tiierte das SWOG Cancer Research Network eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie, in die insgesamt 3051 Patienten mit neu dia­gnostizierten Tumorerkrankungen in sechs akademischen und sechs niedergelassenen onkologischen Zentren in den USA eingeschlossen wurden. Das mediane Alter der Patienten lag bei 60 Jahren, 60 % waren Frauen, jeweils etwa 18 % schwarzer bzw. lateinamerikanischer Abstammung.

Das Ergebnis:

  • Insgesamt wurde bei 6,5 % der Patienten eine abgelaufene und bei 0,6 % eine chronische HBV-Infektion festgestellt; der chronische Status war bei 8 von 19 Patienten vorher unbekannt.
  • Eine HCV-Infektion wiesen 2,4 % der Teilnehmer auf; bei 22 von 71 Patienten war diese HCV-Positivität vorab unbekannt.
  • Eine HIV-Infektion wurde bei 1,1 % der Teilnehmer nachgewiesen; nur bei 2 von 34 Patienten war die Infektion nicht bekannt.

Bei etwa jedem fünften HBV-/HIV- und bei ca. jedem dritten HCV-positiven Patienten konnten keine Risikofaktoren für den Erwerb der Infektion festgestellt werden.

Ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten mit neu diagnostizierter Krebserkrankung wusste also vorher nichts von der gleichzeitig bestehenden HBV- oder HCV-Infektion. Ein Screening auf diese Viren könnte sich nach Meinung der Wissenschaftler als sinnvoll erweisen, um eine Reaktivierung der Viren und ungünstige Auswirkungen auf die Prognose der Patienten zu vermeiden. Bei HIV sei ein allgemeines Screening angesichts der niedrigen Rate an unerkannten Infektionen eher nicht indiziert.

Quelle: Ramsey SD et al. JAMA Oncol 2019; doi: 10.1001/jamaoncol.2018.6437