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Den Schweiß stoppen: Trockenübungen für Hyperhidrose-Patienten

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Axilläre Schweißflecken bestimmen
semiquatitativ den Schweregrad der Hyperhidrosis. Axilläre Schweißflecken bestimmen semiquatitativ den Schweregrad der Hyperhidrosis. © iSTock/TomFreeze
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Mehrere Liter Schweiß pro Tag sind nichts Ungewöhnliches. Bei primärer Hyperhidrose geht die Transpiration aber über die normale Wärmeregulation hinaus, was die Lebensqualität stark einschränkt. Immerhin: Die Erkrankung ist häufig zeitlich limitiert und es gibt einige Therapieoptionen.

Erhebliche soziale und berufliche Einschränkungen belasten die Patienten mit primärer fokaler Hyperhidrose. Definitionsgemäß liegt dem übermäßigen Schwitzen weder eine internistische Erkrankung noch eine externe Ursache zugrunde, schreiben Dermatologen um Professor Dr. Berthold Rzany, Privatpraxis für Dermatologie und Ästhetische Medizin, Berlin, in der S1-Leitlinie zur Hyperhidrosis. Die Drüsen unterliegen schlicht einer sympathischen Überstimulation.

Die Diagnose basiert im Wesentlichen auf Anamnese (s. Kasten), Klinik sowie Fragebogen zur Lebensqualität. Labor- oder Messwerte zum Beweis bzw. Ausschluss gibt es nicht. Die Einteilung der Schweregrade erfolgt semiquantitativ, die Hyperhidrosis kann sich auch nur auf den axillären bzw. palmoplantaren Bereich beschränken:

Grad 1 (leicht)
deutlich vermehrte Hautfeuchtigkeit, 5–10 cm große axilläre Schwitzflecke

Grad 2 (mäßig stark)
Schweißperlen, 10–20 cm große axilläre Schwitzflecke

Grad 3 (stark)
Schweiß tropft ab, Schwitzflecke > 20 cm, Schwitzen auch an dorsalen Fingern und Zehen sowie am seitlichen Rand von Hand und Fuß

Objektivieren lässt sich die übermäßige Transpiration mit dem Jod-Stärke-Test sowie der Gravimetrie. Letztere dient der Feststellung der innerhalb einer bestimmten Zeit abgesonderten Schweißmenge. Bei dem Verfahren genügt schon ein handelsüblicher Kaffeefilter, eine Stoppuhr und eine Ultrafeinwaage zur quantitativen Ermittlung. Limitiert werden die Messungen durch die nicht immer gleichmäßige Schweißbildung. Auch fehlen verbindliche Grenzwerte zur Unterscheidung von Norm- und Hyperhidrosis.

Typische Zeichen der idiopathischen Hyperhidrose

  • Beginn der Symptome im Kindes- und Jugendalter (< 25 Jahre), Schwitzen im Bereich der Hände meist schon vor der Pubertät
  • Auftreten öfter als 1x pro Woche mit Beeinträchtigung des Alltags
  • Schweißausbrüche erfolgen temperaturunabhängig, unvorhersehbar und nicht willentlich kontrollierbar
  • beidseitiges, symmetrisches Auftreten an Prädiktionsstellen
  • kein vermehrtes Schwitzen während des Schlafs
  • positive Familienanamnese

Aluminiumhaltige Deoroller explizit empfohlen

Grundsätzlich begrenzt sich die Erkrankung auf die Pubertät und das frühe Erwachsenenalter, was für die Auswahl der Interventionen eine Rolle spielt, schreiben die Leitlinien­autoren. Die Therapie folgt einem Stufenschema in Abhängigkeit von Lokalisation und Schwere, wobei die Maßnahmen auch kombiniert werden können. Basismaßnahmen bei allen fokalen Formen sind topische aluminiumhaltige Antiperspiranzien (Deoroller, Cremes). Die derzeit diskutierte Risikoerhöhung für Brustkrebs und M. Alzheimer durch Aluminium ist wissenschaftlich nicht belegt, so die Experten. Das Bundesamt für Risikobewertung empfiehlt, eine Anwendung bei gestörter Hautbarriere z.B. nach Rasur der Achselhöhle zu vermeiden. Antiperspiranzien sollten möglichst zur Nacht aufgetragen werden, da Patienten in dieser Zeit nicht schwitzen. Die Wirkung tritt verzögert ein, weshalb ein Therapieversuch über mehrere Wochen sinnvoll erscheint. Bei unzureichender Wirkung bietet sich vor allem bei Problemen an Hand- und Fußsohlen die Leitungswasseriontophorese an, die nach einer Schulungsphase vom Patienten zu Hause alleine durchgeführt wird. Zu Beginn sind mehrmals pro Woche Stromwasserbäder mit einer Dauer von 20–30 Minuten notwendig. Die Anschaffung eines Heimgeräts wird üblicherweise von den Kostenträgern übernommen. Die Injektionstherapie mit Botulinumtoxin eignet sich bei allen fokalen Hyperhidrosen und zählt laut den Leitlinienautoren zu den effektivsten Methoden. Zugelassen ist Botulinumtoxin A für die Behandlung in der Axilla. Die Anwendung an Hand- und Fußsohlen erfolgt off label – stützt sich aber auf solide Studienevidenz.

Systemische Therapie nur situationsbedingt

Weniger gut belegt sind die Effekte von Radiofrequenz, Mikrowellen und fokussiertem Ultraschall. Alle Interventionen können umliegendes Gewebe und Nerven wegen der nicht-selektiven Wärmewirkung in Mitleidenschaft ziehen. Für sehr schwere Fälle steht der Chirurg bereit und entfernt die Schweißdrüsen per Kürettage oder Exzision. Eine weitere Option vor allem bei palmarer Hyperhidrose ist die endoskopische thorakale Sympathektomie. Ergänzend zu allen Interventionen können Patienten systemisch wirksame Pharmaka einnehmen, um situationsbezogen das Schwitzen über mehrere Stunden zu kontrollieren. Die Experten nennen hier v.a. orale Anticholinergika. Eine Dauertherapie kommt aber selten infrage.

Quelle: S1-Leitlinie Definition und Therapie der primären Hyperhidrose, AWMF-Register Nr. 013/059, www.awmf.org