Anzeige

Diabetes: Auf der Suche nach der richtigen Erfassung der Lebensqualität

Autor: Cornelia Kolbeck

Wie bewertet der Patient die Therapie? Und wie lässt sich das valide messen? 
Wie bewertet der Patient die Therapie? Und wie lässt sich das valide messen? © iStock/aydinynr
Anzeige

Das Wirken der Medizin zielt darauf ab, dass es Patienten besser geht. Um den Erfolg messbar zu machen, helfen neben klinischen Parametern auch von Patienten berichtete Wirkungen und Nebenwirkungen, sog. Patient Reported Outcomes. Noch unklar ist, wie diese „PROs“ am effektivsten zu erheben sind.

„Die Festlegung von bestimmten Zielwerten der Lebensqualität und Messinstrumenten zur Therapiesteuerung ist in Deutschland nicht definiert.“ Dieser Satz aus der Leitlinie des Typ-1-Diabetes formuliere es ganz treffend, meinte Professor Dr. phil. Bernhard Kulzer vom Diabetes Zentrum Bad Mergentheim. Verbindliche Empfehlungen und Konsenspapiere zum Einsatz von PROs fehlten in der Dia­betologie. Es gebe viele verschiedene Messinstrumente, häufig unklare Interpretationen der Messwerte und keine Harmonisierung der verfügbaren Fragebögen.

Gefühlte Verbesserungen sind nicht messbar

In der Konsequenz wird deshalb gerade bei der Nutzenbewertung der Einfluss einer Therapie auf die für Patienten wichtige gesundheitsbezogene Lebensqualität oft nicht berücksichtigt. Gefühlte Verbesserungen sind nicht messbar. Bestes Beispiel: die kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten. Trotz 15 Studien mit 1952 Patienten wird kein Zusatznutzen hinsichtlich gesundheitsbezogener Lebensqualität gesehen.

Die Lösung für den Diabetesbereich kann die „Common Toolbox“ anbieten, entwickelt von der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der DDG.Dieser von Prof. Kulzer vorgestellte Werkzeugkasten hilft bei der Auswahl aus diabetesrelevanten psychometrischen Fragebögen für Forschung und Praxis, „denn oftmals besteht Unklarheit, welche Instrumente für welche Fragestellungen existieren beziehungsweise am geeignetsten sind“. Kriterien für die Bewertung könnten z.B. sein: Für welchen Anwendungsbereich gilt der Fragebogen? Gibt es Einschränkungen bei Altersgruppen? Wie ist es um die Objektivität, Reliabilität und Validität bestellt? Ist der Fragebogen psychometrisch aussagekräftig?

Wichtig ist auch, dass ein Fragebogen praktisch gut nutzbar ist, betonte Professor Dr. Matthias Rose, Charité Berlin. Zu viele Fragen würden Patienten überfordern. „Wir müssen deshalb immer eine Balance schaffen zwischen Praktikabilität und Präzision“, so Prof. Rose. Er verwies auf eine „neue Generation von Messinstrumenten“. Beim Patient Reported Outcomes Measurement Information System PROMIS, zurzeit entwickelt in den USA, wird versucht, den Fragebogen nach Patientenzielen – z.B. weniger müde, weniger depressiv – zu erarbeiten.

Im Fokus steht das Standardisieren von Instrumenten zur Messung von Merkmalen, die von den Patienten selbst berichtet werden. Dazu zählen beispielsweise körperliche und psychische Symptome und Beschwerden oder die soziale Einbindung. Eine gemeinsame Metrik macht Fragebögenergebnisse per Umrechnung vergleichbar. „Das ist entscheidend, weil wir so bei den PROs wegkommen vom Instrument und hinkommen zum Konstrukt“, sagte Prof. Rose.

Vollständiges Bild zum Nutzen und Schaden von Arzneien

„Ohne PROs zeigt sich nur ein unvollständiges Bild zum Nutzen und Schaden von Arzneimitteln“, betonte Dr. Beate Wieseler vom IQWiG. Sie machte generelle Mängel in der Darstellung von PROs bei der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel deutlich. So sei neben fehlender Validierung von Fragebögen oft der Anteil von Patienten zu gering. Auch sei die Interpretation der Ergebnisse schwierig. Positiv hebt sie hervor, dass in den Dia­betes Guidelines der Europäischen Zulassungsbehörde EMA PROs stärker in den Fokus rücken.

Im Entwurf der 2018er-Guideline sei die Beachtung von diabetesspezifischen PROs ausdrücklich empfohlen. Diese vermittelten wichtige Informationen, wie eine Behandlung die Lebensqualität beeinflusst. Die notwendige Methodik zum Erfassen von PROs ist in wesentlichen Teilen verfügbar, zeigte sich Dr. Wieseler überzeugt. Sie rät, bei der Umsetzung von Erfahrungen aus anderen Indikationsbereichen, z.B. der Onkologie, zu profitieren.

Patientenberichtete Endpunkte systematisch erfassen

Die DDG entwickelt in Kooperation mit Betroffenen und Behandlern ein eigenes Instrument zur standardisierten Messung von PROs in der Diabetologie, berichtete Präsident Professor Dr. Dirk Müller-Wieland. Diabetes-Self-Assessment System (DAS) heißt das Tool. Ziel ist die Entwicklung eines Befragungsinstruments mittels computeradaptiver Tests zum systematischen Erfassen patientenberichteter Endpunkte.

Die Software soll 2018 fertig sein, die Erprobung erfolgt 2019. Prof. Müller-Wieland sieht den Vorteil des DAS nicht nur hinsichtlich verbesserter Daten für die Nutzenbewertung und für eine weitreichende Versorgungsanalyse. Die Fachgesellschaft könne sich mit den Ergebnissen auch gut positionieren bezüglich eines notwendigen Standards bei neuen Medikamenten und Medizinprodukten.

Quelle: Diabetes Kongress 2018