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Die neue Diphtherie: Infektionen mit Corynebacterium ulcerans nehmen zu

Autor: Dr. Judith Lorenz

Bislang sind Nutz- und Haustiere die Überträger der Corynebakterien. Ob eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist wurde bisher noch nicht hinreichend geklärt. Bislang sind Nutz- und Haustiere die Überträger der Corynebakterien. Ob eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist wurde bisher noch nicht hinreichend geklärt. © fotolia/Sagittaria
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Die durch C. diphtheriae verursachte Diphtherie kommt dank der verfügbaren Vakzine in Deutschland selten vor. Ein anderer Erreger ist jedoch hierzulande auf dem Vormarsch.

Toxinbildende Stämme von Corynebacterium ulcerans können diphtherieähnliche Erkrankungen beim Menschen verursachen. Hierzu zählen lokale und systemische Manifestationen wie Rachen- und Hautdiphtherie sowie Herzmuskel- und Nervenschädigungen. Während die klassische Diphtherie vorwiegend aus Ländern mit geringer Durchimpfungsrate eingeschleppt wird, lauert C. ulcerans vor der Haustür: Als Erregerreservoir gelten Wild-, Zoo- sowie Nutz- und Haustiere.

„In den letzten Jahren beobachten wir eine deutliche Zunahme der Einsendungen zur Untersuchung auf potenziell toxigene Corynebakterien“, schreiben Dr. Anja­ Berger­ vom Konsiliarlabor für Diphtherie am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Erlangen, und Kollegen. Beim Menschen wurde C. ulcerans insbesondere aus Haut- und Weichteilproben, seltener aus dem Mund-Rachenraum isoliert. Den Wissenschaftlern fiel dabei der hohe Anteil tox-positiver Stämme auf. In 85 % der von Menschen und bei 70 % der von Tieren stammenden Isolate ließ sich das Diphtherietoxin-Gen nachweisen. Zum Vergleich: Nur 8 % der im selben Zeitraum isolierten C. diphtheriae-Stämme waren toxigen.

Die Infektionen bzw. Besiedlungen mit toxigenen C. ulcerans-Stämmen betrafen Personen im Durchschnittsalter von 52 Jahren. Als mögliche Übertragungswege identifizierten die Autoren bei 13 von 52 Infizierten Tierkontakte, bei einem Rohmilchverzehr. In einem Fall bestand der Verdacht auf eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung.

Die Bedeutung von C. ulcerans als Erreger Diphtherie-ähnlicher Erkrankungen in den westlichen Industrienationen nimmt zu, schließen die Forscher um Dr. Berger.­ Obwohl eine Übertragung von Mensch zu Mensch sich bislang noch nicht eindeutig nachweisen lässt, sollten bei engen Kontaktpersonen von Erkrankten die gleichen Maßnahmen ergriffen werden wie bei einer durch C. diphtheriae verursachten Diphtherie: Eine antibiotische Postexpositionsprophylaxe sowie – mangels einer C. ulcerans-spezifischen Vakzine – die aktive Immunisierung mit dem Diphtherie-Impfstoff. Für die Infektion besteht in Deutschland Meldepflicht.

Quelle: Berger A et al. Epid Bull 2018; 8: 83-86