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Kinderarzt räumt mit gastroenterologischen Mythen auf

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Der eigene Körper weiß immer noch am besten, wie viel getrunken werden muss. Der eigene Körper weiß immer noch am besten, wie viel getrunken werden muss. © iStock.com/demaerre
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Kinder lieben Märchen. Einige Fachärzte offenbar auch. Denn in der pädiatrischen Gastroenterologie kursiert eine Menge solcher Geschichten.

Lange galt die tägliche Trinkmenge von mindestens zwei Litern als Voraussetzung für ein gesundes Leben. Kaffee und Tee mussten dabei außen vor bleiben, verstärken sie doch die Diurese. Sucht man allerdings nach Beweisen für diese Vorgabe, wird es duster im Märchenwalde: Studien, die diese Empfehlung stützen, gibt es nämlich nicht, erklärt Professor Dr. Stefan Wirth vom Helios Universitätsklinikum in Wuppertal. Statt fixer Mengen empfiehlt er für gesunde Kinder und Erwachsene, sich einfach nach dem natürlichen Durstgefühl zu richten. Meist ergeben sich dann 1200–1500 ml pro Tag, und koffeinhaltige Getränke dürfen durchaus in die Rechnung eingehen.

Verstopfung lässt sich nicht wegtrinken

Dabei räumt Prof. Wirth gleich noch mit einem anderen Mythos auf: Eine erhöhte Trinkmenge hilft nicht gegen Obstipation. Kinder, die ihre tägliche Trinkmenge um die Hälfte steigern, müssen zwar möglicherweise häufiger aufs Klo – aber nur zum Wasserlassen. Stuhlkonsistenz und -frequenz bleiben dagegen unbeeinflusst.

Zu wenig Elektrolyte und zu viel Zucker

Bei Kindern mit akuter Gastroenteritis raten sogar einige Fachleute zu Cola und Salzstangen. Diese Kombination soll den Flüssigkeits- und Elektrolytmangel einfach und wirksam ausgleichen. Prof. Wirth hält nicht viel von dieser Diät: Zum einen sei der Elektrolytgehalt von Cola zu gering, sodass eine adäquate Elektrolytsupplementation mit solchen Getränken gar nicht möglich sei. Zum anderen könne durch den hohen Zuckergehalt sogar eine osmotische Diarrhö resultieren. Die Menge an Salzstangen wiederum müsse je nach Alter bei etwa 40 pro Tag liegen, allein um den Erhaltungsbedarf an Kochsalz zu decken.

Ein heiß diskutiertes Thema sind Nahrungsmittelallergien und ­-unverträglichkeiten. Umstritten ist vor allem, wie lange Säuglinge ausschließlich gestillt werden sollten. Leitlinien empfehlen das derzeit für die ersten vier bis sechs Lebensmonate, dann sollen die Kleinen allmählich Beikost erhalten. Trotzdem stillen viele Mütter deutlich länger – obwohl das nach derzeitigen Erkenntnissen Allergien nicht vermindert, vielleicht aber von Nachteil ist, schreibt der Experte. So tritt Zöliakie eventuell wahrscheinlicher auf, wenn Beikost erst später – statt bereits nach etwa vier Monaten – eingeführt wird. Ein angenehmer Nebeneffekt des weniger langen Stillens könnte übrigens sein, dass die Kinder nachts besser Ruhe geben – was dann auch den Eltern zugute kommt: In einer Studie schliefen Säuglinge, die ab dem dritten Lebensmonat Beikost erhalten hatten, etwa zwei Stunden pro Woche länger als Kinder, die sechs Monate lang ausschließlich gestillt worden waren.

Quelle: Wirth S. Monatsschr Kinderheilkd 2018; 166: 1087-1089