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Nahtoderfahrung: Was es mit mentalen Phänomenen vor dem Tod auf sich hat

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Die mentalen Phänomene kurz vor dem Tod, fallen recht unterschiedlich aus. Sehr bekannt ist aber das des "Lichts am Ende des Tunnels". Die mentalen Phänomene kurz vor dem Tod, fallen recht unterschiedlich aus. Sehr bekannt ist aber das des "Lichts am Ende des Tunnels". © fotolia/hamish
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Vom „Licht am Ende des Tunnels“ bis hin zum „vorbeiziehenden Leben“ – um mentale Phänomene Sterbender ranken sich so manche Mythen. Die Forschung zu diesen Erfahrungen steht erst am Anfang. Eine Studie an einer anthroposophischen Klinik ergänzt jetzt die Datenlage.

Pflegende und Ärzte von Sterbenden berichten immer wieder von visuellen oder auditiven Eindrücken oder Bewusstseinsaufhellungen kurz vor Eintritt des Todes, die sich nicht hinreichend durch Erkrankungen, Fieber oder Medikamente erklären lassen. Diese Erfahrungen sind unter dem Begriff „End-of-life experiences“ zusammengefasst.

Spiritualität spielt zum Lebensende hin eine immer wichtigere Rolle, schreiben Dr. Sabine Klein von der Universität Bern und Kollegen. Die Anthroposophie versteht das Sterben als Prozess, in dem sich die Seele und der Geist vom physischen Körper lösen und in die geistige Welt eingehen. Studien zu mentalen Zuständen von Sterbenden in den Tagen und Wochen vor ihrem Tod liegen allerdings nur vereinzelt vor.

Die Schweizer Forscher führten deshalb eine qualitative Bestandsaufnahme mit 60 geschlossenen und 5 offenen Fragen durch. 20 Ärzte und Pflegende eines Spitals für anthroposophisch erweiterte Medizin in der Schweiz füllten den Fragebogen aus. Am häufigsten beobachteten sie folgende Phänomene bei Sterbenden:

  • plötzlich auftretende Zuversicht und Energie (95 % Nennungen)
  • Patienten nehmen phasenweise eine andere Realitätsebene oder Umgebung wahr (85 %)
  • Zunahme belastender Emotionen wie Angst oder Traurigkeit (85 %)
  • Wahrnehmung von verstorbenen Verwandten, Freunden oder mythischen Figuren (80 %)

Kaskade elektrischer Aktivität im Gehirn erklärt nicht alles

Die Zustände wurden von den meis­ten Befragten als wichtig und tröstlich für Angehörige und Sterbende empfunden. Wie oft „End-of-life experiences“ letztlich auftraten, ließ sich mit dem retrospektiven Studiendesign nicht genau ermitteln.

Studien v.a. aus England und den USA berichten über vergleichbare Phänomene. Die zugrunde liegenden physiologischen Vorgänge sind aber kaum erforscht. Im Raum steht eine Kaskade elektrischer Aktivität im Gehirn aufgrund hypoxiebedingt gestörter Membranpotenziale. Allerdings erklärt diese Hypothese nicht etwaige Phänomene in den Tagen vor dem Tod, so die Autoren.

Ein spezielles Training für den Umgang mit Erfahrungen am Lebensende findet nur langsam Einzug in die Ausbildung. Auch viele der Befragten wünschten sich mehr Informationen, um besser mit Patienten, Angehörigen und Kollegen über das Thema sprechen zu können.

Quelle: Klein S et al. Complement Med Res 2017; online first