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Prostatakrebs: PSA-Wert zur Früherkennung nur nach Bedarf bestimmen

Autor: Elisa Sophia Breuer

Der PSA-Test kann durch viele Faktoren beeinflusst werden und zu Überdiagnosen führen. Achtung ist daher geboten! Der PSA-Test kann durch viele Faktoren beeinflusst werden und zu Überdiagnosen führen. Achtung ist daher geboten! © iStock/jarun011
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Als das „Beste, was wir haben“ bewertet ein Stuttgarter Urologe die PSA-Messung zur Früherkennung von Prostatakrebs. Trotzdem bietet er die Analyse nicht proaktiv an.

Mit 23 % führt Prostatakrebs die Liste der häufigsten Tumorerkrankungen bei Männern an. Das Lebenszeitrisiko beträgt ca. 13 %, etwa ein Viertel der Betroffenen stirbt daran. Die Früherkennung erfolgt mit einer rektal-digitalen Untersuchung (derber höckriger Befund an der Prostataoberfläche?), ggf. ergänzt durch die PSA*-Analyse. „Gehen Sie mit dem PSA defensiv um“, forderte Professor Dr. Ulrich­ Humke­ von der Klinik für Urologie und Transplantationschirurgie am Katharinenhospital, Klinikum Stuttgart. Nur wenn ein Patient ihn danach fragt, klärt er über das Antigen und seine Aussagekraft auf. Gemeinsam entscheiden sie dann, ob der Spiegel ermittelt wird.

Ein transrektaler Ultraschall kann helfen, die erhobenen Daten des Markers besser einzuschätzen. „Auf einem Laborblatt führt das PSA sehr leicht in die Irre!“, warnte der Referent. Die Interpretation ist komplex, der Vergleich mit einem Normwert reicht meist nicht aus.

Kein Sex vor der Blutentnahme

„Der Spiegel schwankt bei jedem Mann“, so Prof. Humke. Im Ejakulat kommt besonders viel PSA vor, im Blut hingegen wenig (500 000–5 000 000 ng/ml vs. 4 ng/ml). Verschiedene Faktoren können den Pegel beeinflussen (s. Kasten) oder sogar zu einer Kontamination von der Prostata ins Blut führen. Bevor man Blut abnimmt, muss der Patient für 24–48 h sexuell enthaltsam sein und darf keinen Sport oder anstrengende Tätigkeiten ausüben. „Ein Urin­status gehört immer zur Untersuchung“, ergänzte der Urologe. Denn wenn eine Entzündung vorliegt, verfälscht sie ebenfalls die Daten. Außerdem riet er dazu, Abstand zur digitalen Prostatauntersuchung zu halten. Sie lässt das Antigen in die Höhe schnellen.

Das lässt den Wert schwanken

  • Prostataerkrankungen
  • Untersuchungen wie Tasten der Prostata, Biopsie
  • Sport (u.a. Joggen, Radfahren) und schwere körperliche Arbeit
  • Ejakulation

Höherer Spiegel kann an größerem Organ liegen

„Grundsätzlich besteht das Problem von Überdiagnose und -therapie“, betonte Prof. Humke. Um dem entgegenzuwirken, empfahl er, den PSA-Spiegel über die Zeit zu beobachten und die Anstiegsgeschwindigkeit zu analysieren. Werte, die jährlich mehr als 0,5–0,7 ng klettern, gelten als bedenklich. Ein erhöhtes PSA sollte man nach drei Monaten erneut kontrollieren (Kontamination!). Invasive Diagnostik ist zu diesem Zeitpunkt nicht indiziert. Kollegen, die den Anteil des freien PSA am Gesamt-PSA bestimmen, können zusätzlich Überdiagnosen vermeiden. Liegt er unter 15 %, verhärtet sich der Verdacht auf eine bösartige Wucherung. Weiterhin hilft ein Blick auf die PSA-Dichte, also wie der Wert mit dem Prostatavolumen korreliert. Je größer das Organ, desto höher dürfen die Spiegel sein. Als weiteren Punkt riet Prof. Humke, die Referenzbereiche abhängig vom Alter anzupassen (s. Tabelle). Aufgrund der Vielzahl an verfügbaren Tests, die alle unterschiedliche Normwerte aufweisen, ist dies jedoch nur erschwert möglich. Den Risikorechner (www.prostatecancer-­riskcalculator.com) erachtete der Referent als „wichtiges Tool für den Praxisalltag“. Laut dem Experten kann man damit unnötige Biopsien um bis zu ein Drittel senken.
Mit den Jahren steigt der PSA
AlterPSA-Referenzwert
≤ 49 Jahre< 2,5 ng/ml
50–59 Jahre< 3,5 ng/ml
60–69 Jahre< 4,5 ng/ml
≥ 70 Jahre< 6,5 ng/ml
Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Schließlich war das PSA vor langer Zeit in Verruf geraten. Prof. Humke gab Entwarnung: Die zugrunde liegende US-amerikanische Studie war methodisch unprofessionell gestaltet, die Ergebnisse unbrauchbar. Stattdessen setzt er auf eine umfangreiche europäische Untersuchung (ERSPC) mit Daten von knapp 730 000 Männern. Danach hat das Screening einen erheblichen Effekt auf die Mortalität: Das relative Risiko, an einem Prostatakarzinom zu sterben, reduzierte sich um 21 %, wenn sich die Teilnehmer protokollgemäß hatten behandeln lassen (mittlere Nachbeobachtung 6,4 Jahre). Außerdem kam es zu einem Stadienshift, es traten weniger Metastasen auf, was mit besser therapierbaren Tumoren und einer gesteigerten Lebensqualität einherging. Für die Routine ist eine MRT in der Früherkennung nicht vorgesehen. Wer sich jedoch dafür entscheidet, sollte auf die multiparame­trische Variante zurückgreifen und währenddessen die sichtbaren Herde gezielt und systematisch biopsieren. Die daraus gewonnene PIRADS**-Klassifikation (1–5) bietet ein weiteres Hilfsmittel gegen eine Überdiagnose. „Ein Gleason ab 4 gilt als relevant, potenziell metastasiert dieser Krebs. Alles darunter können Sie beobachten“, gab der Urologe eine Richtlinie. 

Quelle: 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft­ für Innere Medizin

* Prostata-spezifisches Antigen
** Prostate Imaging-Reporting and Data System