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Therapie chronischer Kopfschmerzen wendet sich zu protektiven Faktoren hin

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Die Patienten müssen lernen, echte von vermeintlichen Triggern abzugrenzen, um protektiv gegen den Kopfschmerz vorgehen zu können. Die Patienten müssen lernen, echte von vermeintlichen Triggern abzugrenzen, um protektiv gegen den Kopfschmerz vorgehen zu können. © fotolia/Aaron Amat
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Die Verhaltenstherapie bei chronischen Kopfschmerzen wird ausgebaut. Neu dazu kommen Triggermanagement, ein „Kopfschmerzfrei-Tagebuch“ sowie das Einbinden von nicht-therapeutischem Personal.

Für viele Patienten kommt eine psychologische Kopfschmerztherapie infrage, schreiben Dr. Thomas Dresler, Universität Tübingen, und Kollegen. Maßnahmen wie Patienten­edukation, progressive Muskelrelaxation, thermales und elektromyographisches Biofeedbackverfahren oder die Kognitive Verhaltenstherapie sind bereits durch die Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft etabliert. Sowohl wissenschaftliche als auch technische Entwicklungen haben in diesem Therapiebereich das Repertoire erweitert.

So zum Beispiel in der Verhaltenstherapie: Wie bei anderen chronischen Schmerzerkrankungen sollte der Fokus weg vom Auslöser und hin zu schmerzprotektiven Aktivitäten und Bedingungen gelenkt werden. Das bedeutet, statt Kopfschmerz-Tagebüchern beispielsweise ein „Kopfschmerzfrei-Tagebuch“ zu führen, um sich intensiver mit positiven Gefühlen und Alltagsaktivitäten auseinanderzusetzen.

Ebenfalls ein neuer Ansatz ist das Triggermanagement. Ursprünglich zur Behandlung von spezifischen Phobien eingesetzt, wird damit primär das Vermeidungsverhalten der Betroffenen angegangen. Patienten mit chronischer Migräne tendieren ebenfalls zu Vermeidungsstrategien, die in der Folge oft die Angst vor der nächsten Attacke verstärken: So sind anfänglich nur Schokolade, Käse oder der anstehende Besuch der Schwiegermutter die vermeintlich Schuldigen. Bald wird das Spektrum auf andere räumlich oder zeitlich assoziierte Faktoren ausgeweitet, die Vermeidung gestaltet sich immer aufwendiger und führt zu Stress – einem der häufigsten Migräneauslöser.

Hierbei greifen multimodale Antitrigger-Therapieprogramme wie EASE (Experiment–Avoid–Stressmanagement–Exposure): Der Patient lernt, nur die echten Triggerfaktoren, z.B. Schlafmangel oder Dehydratation, zu vermeiden. Die starren Verhaltensmuster bei den vermeintlichen Triggern werden abgebaut, indem der Patient ermuntert wird zu experimentieren, ggf. neue Zusammenhänge erkennt und dadurch seine Angst verliert. Z.B. muss Schokolade nicht der Auslöser sein, sondern wird wegen des Heißhungers regelmäßig vor der Migräneattacke gegessen. Zusammen mit Elementen der Stressbewältigung soll der Patient letztendlich desensibilisiert werden.

Manchmal lohnt es sich auch, das klassische Therapeut-Patient-Gespann zu erweitern. So können z.B. Entspannungstrainer, Physiotherapeuten oder Pflegekräfte sowohl Behandlung als auch Edukation unterstützen. Eine wachsende Ressource sind die digitalen Medien – Stichwort eHealth. Momentan gibt es mehrere Internet- bzw. App-basierte Angebote, für die z.T. bereits erste positive Effekte auf Schmerzhäufigkeit und -schwere nachgewiesen wurden.

Einsatzgebiete der Psychotherapie

  • Stressanfälligkeit oder kopfschmerzrelevante Stressfaktoren
  • Analgetika verschaffen nicht die erwartete Linderung
  • generelle Abneigung gegenüber Analgetika
  • Kontraindikationen/Unverträglichkeit
  • Schwangerschaft oder Stillzeit
  • Übergebrauchskopfschmerz

Problematisch bleibt derzeit noch der Qualitätsstandard der Studien, denn abgesehen von einer fehlenden Standardisierung wird die Intervention oft vorzeitig abgebrochen oder die Effekte auf Begleitsymptome wie Depressionen fehlen. Auch eine zu starke Fokussierung auf die Schmerzproblematik in den aktuell angebotenen Programmen und Apps könnte, bei gleichzeitiger Omnipräsenz von Smartphone und Laptop, kontraproduktiv wirken. Insbesondere im Bereich eHealth rechnen die Autoren aber mit weiteren Neuerungen.

Quelle: Dresler T et al. Schmerzmed 2018; 34: 24-30