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Therapie von COPD: Sauerstoffgabe oder nicht-invasive Beatmung?

Autor: Manuela Arand

Die Langzeitsauerstofftherapie kann stigmatisieren. Die Indikation sollte also regelmäßig geprüft werden (Links). Zur NIV gibt es diverse Masken, die ent­weder das ganze Gesicht oder nur Nase und/oder Mund abdecken (Rechts). Die Langzeitsauerstofftherapie kann stigmatisieren. Die Indikation sollte also regelmäßig geprüft werden (Links). Zur NIV gibt es diverse Masken, die ent­weder das ganze Gesicht oder nur Nase und/oder Mund abdecken (Rechts). © iStock/ImageDB; iStock/NicolasMcComber
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COPD-Patienten können von der nicht-invasiven Beatmung (NIV) erheblich profitieren, ebenso wie von der Sauerstofftherapie – vorausgesetzt, die Indikation stimmt. Wer was bekommt, dürfen Ärzte aber nicht nach Gefühl ent­scheiden.

Bevor man einem COPD-Patienten Sauerstoff gibt oder ihn nicht-invasiv beatmet, ist zu prüfen, auf welcher Ebene die Störung liegt. Bei pulmonaler Insuffizienz resultiert eine ausgeprägte Hypoxämie, begleitet von einem mäßigen Abfall des PaCO2, wenn es zu einer reflektorischen Hyperventilation kommt (hypoxämisches respiratorisches Versagen, Typ 1).

Dagegen geht bei Versagen der Atempumpe die Sauerstoffversorgung weniger stark zurück. Dafür entsteht eine deutliche Hyperkapnie, weil der Patient CO2 nicht mehr ausreichend abatmen kann (hyperkapnisches respiratorisches Versagen, Typ 2).

Aus Routinediagnostik folgte NIV-Pflichtigkeit

Diese Differenzierung ist elementar, um zu entscheiden, womit wir dem Patienten helfen können, erklärte Dr. Friederike­ Sophie Magnet von der Lungenklinik Köln-Merheim und unterstrich ihre Aussage mit einem Patientenbeispiel: Der 49-jährige Patient mit amyo­tropher Lateralsklerose war zur Routinediagnostik ins Schlaflabor gekommen. Er startete schon mit einer deutlichen Hyperkapnie in die erste Nacht.

Der transkutan gemessene PaCO2 lag bei etwa 65 mmHg. Gegen 3 Uhr morgens registrierte die Nachtwache einen Abfall der O2-Sättigung und verabreichte Sauerstoff, woraufhin der PaCO2 nach oben sprang. Daraufhin wurde der Sauerstoff abgestellt, der PaCO2 sank. Doch bei der nächsten Hypoventilationsepisode wiederholte sich das Spiel.

Rauchen ist trotz explosiver Risiken keine Kontraindikation

„Am nächsten Tag haben die Kollegen sich das genauer angeschaut und erkannt: Dieser Patient braucht keinen Sauerstoff, sondern eine Beatmungstherapie“, berichtete Dr. Magnet. Nach erfolgreicher Einleitung der nicht-invasiven Beatmung (NIV) stabilisierte sich der PaCO2 bei 40 mmHg.

Wie auch international empfohlen, soll man die Langzeitsauerstoffgabe (LTOT) bei einem PaO2 unter 55 mmHg in Ruhe oder bei nächtlicher Hypoxämie verordnen, vorausgesetzt dass der Patient lege artis behandelt und klinisch stabil ist. Außerdem müssen alle inhalativen Noxen ausgeschaltet sein. Inkonsequent erscheint dabei, dass Rauchen nicht als Kontraindikation aufgeführt ist. Dass die LTOT bei Rauchern schlechter wirkt, ist zwar nicht erwiesen, aber auch nicht auszuschließen. Außerdem birgt die Kombination von Rauchen und O2-Gabe natürlich explosive Risiken.

Kritisch betrachtet Dr. Magnet, dass der deutschen Leitlinie die kapilläre Blutgasanalyse (BGA) zur Indikationsstellung ausreicht. Die Leitlinie ist allerdings aus dem Jahr 2008 und wird derzeit überarbeitet. Die viel aktuellere britische Leitlinie zur ambulanten Sauerstofftherapie lässt nur die arterielle Messung gelten. Zwei Messungen mit mindes­tens drei Wochen Abstand reichen aus, wobei die letzte Exazerbation mindestens acht Wochen zurückliegen muss.

Kapillär und arteriell gemessene PaO2-Werte korrelieren gerade im hypoxämischen Bereich schlecht, wie Dr. Magnet in einer Studie an 102 COPD-Patienten feststellte. Im Mittel fiel der Wert bei kapillärer Messung um 5–6 mmHg niedriger aus. Ein relevanter Anteil von Patienten bekommt danach also eine LTOT, obwohl sie nicht angemessen ist. Je nachdem, wo die Schwelle gezogen wird, liegt der Anteil der Überverordnungen zwischen 20 und 30 %.

„Mir ist bewusst, dass die arterielle BGA in der ambulanten Situation ein Riesenproblem ist“, räumte die Kollegin ein. Man müsse aber bedenken, dass die LTOT eine kostspielige Therapie sei. Zudem könne sie für den Patienten eine Stigmatisierung bedeuten. „Deshalb sollten wir sie nur verschreiben, wenn sie wirklich indiziert ist.“ Zeigt die kapilläre BGA grenzwertige oder widersprüchliche Resultate an, wird man auf jeden Fall die arterielle Messung erwägen.

Die Indikation zur Langzeitsauerstoffgabe sollte ganz besonders dann konsequent überprüft werden, wenn diese wegen Hypox­ämie nach akuter Exazerbation angesetzt wurde. Studien zeigen nämlich, dass bis zu 60 % der Patienten 1–3 Monate später keine LTOT mehr benötigen.

Die Briten agieren hier übrigens zurückhaltender als die Deutschen: Sie empfehlen die Entlassung ohne LTOT, es sei denn, der Patient ist sehr kurzatmig, kommt ohne Sauerstoffapplikation gar nicht klar und die Sättigung liegt unter 92 %. Nach acht Wochen ist die Kontrolle der Indikation fällig. Die Deutschen entlassen jeden mit Sauerstoff und empfehlen wachsweich eine „spätere Reevaluation“, kritisierte die Kollegin.

Die deutsche Leitlinie zur nicht-invasiven Ventilation wurde 2017 revidiert. Sie stützt sich stark auf die deutsche NIV-Studie von 2014, die einen überragenden Mortalitätsvorteil bei hyperkapnischen COPD-Patienten gezeigt hat. Auch NIV sollte nicht unkritisch angesetzt werden. Holländische Kollegen gaben Patienten NIV, die 48 Stunden nach Ende der Akutbeatmung noch hyperkapnisch waren, und fanden keinen Benefit.

PaCO2 zwei Wochen nach der Exazerbation entscheidend

Bei genauer Betrachtung stellte sich heraus, dass der PaCO2 in beiden Gruppen gleich schnell gesunken war. Wartet man dagegen einige Wochen mit der BGA, lassen sich anhand der Hyperkapnie sehr wohl Patienten identifizieren, denen die NIV nutzt. Die Leitlinie hat das aufgenommen und empfiehlt die NIV, wenn 14 Tage nach Exazerbation noch ein PaCO2 über 53 mmHg vorliegt.

Quelle: 8. Kongress der WDGP* und der NRW-GSM**

* Westdeutsche Gesellschaft für Pneumologie
** Nordrhein-Westfälische Gesellschaft für Schlafmedizin