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Verpflichtungen der Industrie genügen nicht, um das Adipositas-Problem zu lösen

Autor: Michael Brendler

Unter anderem soll der Zuckergehalt in Cerealien gesenkt werden, sodass schon die Kleinsten von dem Programm profitieren. Unter anderem soll der Zuckergehalt in Cerealien gesenkt werden, sodass schon die Kleinsten von dem Programm profitieren. © iStock/Saturated
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Zuckerreduktion in industriell gefertigten Produkten ist nicht erst seit dem Nestlé-Video der Ernährungsministerin ein diskutiertes Thema. Im Ländervergleich gilt das Programm der Briten derzeit als führend. Die Erfolgsaussichten sollte man allerdings realistisch sehen.

Um 20 % soll der Zuckergehalt bis 2020 sinken. Dieses ehrgeizige Ziel hat sich die englische Industrie gesteckt und der Regierung zugesichert. Und zwar genau in den Nahrungsmitteln, über die gerade Kinder viel freien Zucker konsumieren, zum Beispiel Cerealien oder Süßigkeiten. Erreichen wollen das die Unternehmen durch eine Reduzierung von Zuckergehalt und Portionsgröße und das Anheben der Verkaufszahlen gesünderer Produkte.

Das Team um Ben Amies-Cull vom Zentrum für bevölkerungsbezogene Ansätze zur Bekämpfung nicht-übertragbarer Krankheiten hat mithilfe der Daten des National Diet and Nutrition Survey nun das Best-Case-Szenario ausgerechnet. Umsetzung und Akzeptanz des Maßnahmenpakets vorausgesetzt würden Kinder und Jugendliche 25 kcal weniger am Tag essen. Bei Erwachsenen könnte der Konsum immerhin noch um 19 kcal sinken.

Die Autoren haben auch die Konsequenzen daraus abgeschätzt. Die Zahl der adipösen 4- bis 10-jährigen Kinder sinkt demnach um 5,5 %, dasselbe gilt für die Zahl der adipösen Erwachsenen. Bei den 11- bis 18-Jährigen beträgt die Abnahme laut Modellrechnung nur 2,2 %. Im folgenden Jahrzehnt würde die Diabetes-Inzidenz um etwa 155 000 Fälle sinken, bei kardiovaskulären Krankheiten und Darmkrebs betrüge das Minus 3500 bzw. 5800 Patienten.

Erfolg hängt auch von der Akzeptanz der Käufer ab

Davon könnten gerade die Angehörigen unterer sozialer Schichten profitieren, die für Programme zu Lebensstilveränderungen aller Erfahrung nach weniger empfänglich sind, schreibt der Erstautor und Hausarzt in seinem Begleitkommentar. Sofern der Plan funktioniert – denn hier hat Amies-Cull offensichtlich noch seine Zweifel. Der Erfolg hänge stark von der unternehmerischen Umsetzung und der Akzeptanz der Käufer ab.

So befürchtet der Kollege zum Beispiel, dass der Zucker durch Substanzen mit ähnlichem Kaloriengehalt ersetzt werden könnte. Oder, dass kleinere Portionen dazu führen, dass einfach mehr gegessen wird. Und selbst wenn das Sugar Reduction Program zur Erfolgsgeschichte werde, so der Autor, werde es nicht ausreichen, um die gegenwärtige Krise zu beseitigen.

Quelle: Amies-Cull B et al. BMJ 2019; 365: l1417