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Verritzt noch mal: Selbstverletzungen können praktisch jede Dermatose imitieren

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Beim Ritzen 
droht nicht gleich der Suizid, aber das Risiko steigt. Beim Ritzen 
droht nicht gleich der Suizid, aber das Risiko steigt. © wikimedia/Rasieel
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Vom Haare ausreißen über das Ritzen bis zu bewusst vorgetäuschten Verletzungen: Auch Ihnen können artifizielle Hautveränderungen begegnen. Mit der Überweisung zum Psychiater ist es dann oft nicht getan.

Selbst verletzendes Verhalten wird in drei Gruppen eingeteilt: Paraartefakte, artifizielle Störung und Simulation. Unter die benignen Paraartefakte fallen das „compulsive spectrum“ (z.B. Trichillotomanie) und das „impulsive spectrum“ mit nicht-suizidalem Verhalten (z.B. Ritzen). Letzeres findet sich u.a. im Rahmen von Borderline-Störungen, Depressionen, Anorexie/Bulimie, nach Missbrauch oder in der Pubertät.

Auch wenn hier zunächst kein Selbstmord droht, erhöhen wiederkehrende Handlungen das Risiko dafür. Artifizielle Störungen (maligne Artefakte), z.B. Kot/Urin unter die Haut spritzen, geschehen zum Teil in dissoziativem Zustand. Schließlich gibt es noch die Simulation, bei der Verletzungen bewusst vorgetäuscht werden, um Vorteile zu erlangen. Die resultierenden Hautveränderungen können praktisch jede Dermatose imitieren, erklärte Dr. Gabriele Rapp vom Zentrum für Dermatologie, Phlebologie und Allergologie am Krankenhaus Bad Cannstatt. Als Alarmzeichen für eine psychische Genese nannte sie:

  • untypischer Verlauf
  • ungewöhnliche Lokalisation
  • seltsame Morphologie
  • Therapieresistenz
  • unpassende Stimmung/Verfassung der Patienten in Anbetracht der Erkrankung
  • spürbare Gegenübertragung

Die Gegenübertragung sollte man auf jeden Fall reflektieren und evtl. auch mit den Betroffenen besprechen, da Hausärzte und Dermatologen im Gesamttherapiekonzept durchaus Bedeutung haben. Empathie zeigen, nicht werten und Geduld haben gehören dann ebenso zur Arzt-Patienten-Beziehung wie die Fortführung der dermatologischen Behandlung unter Vereinbarung fester Termine.

Bei Paraartefakten kann es den Kranken schon helfen, Tagebuch zu schreiben, Entspannungsverfahren anzuwenden und eine ambulante Psychotherapie, ggf. unterstützt duch Medikamente, durchzuführen. Liegen artefizielle Störungen vor, ist eine stationäre Aufnahme mit psychosomatischem Konsil ratsam.