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Wie kann Ernährung in der Tumorchirurgie zur schnelleren Erholung beitragen?

Autor: Antje Thiel

Für eine bessere Genesung sollten Tumorpatienten nicht länger als nötig nüchtern sein. Für eine bessere Genesung sollten Tumorpatienten nicht länger als nötig nüchtern sein. © iStock/FatCamera
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Tumorpatienten sind oft mangelernährt – ihr schlechter Zustand beeinträchtigt die Genesung und trägt zu postoperativen Komplikationen bei. Daher sollten auch Chirurgen der Ernährung von Tumorpatienten besondere Aufmerksamkeit schenken.

In der Tumorchirurgie soll das Konzept des Enhanced Recovery After Surgery (ERAS) zur Erholung von Patienten nach der Operation beitragen (siehe Kasten). Ein Schwerpunkt des auch als Fast-Track bekannten Ansatzes ist die Ernährung.

Bereits in der Einleitung der aktuellen DGEM-Leitlinie zur klinischen Ernährung in der Chirurgie1 werde die Einbeziehung der Ernährung in das therapeutische Gesamtkonzept gefordert, betonte Professor Dr. Wolfgang Schwenk, Städtisches Klinikum Solingen. So sollten Patienten vor dem Eingriff nicht länger als unbedingt nötig nüchtern sein. Vor allem sollten sie angehalten werden, ausreichend zu trinken: „Viele Patienten verzichten vor einer Operation freiwillig vorsichtshalber auf das Trinken, weil sie im Bekanntenkreis Horrorgeschichten gehört haben“, berichtete Prof. Schwenk, „dagegen hilft manchmal nur, kohlenhydratreiche Trinknahrung zu rezeptieren und die Einnahme anzuordnen.“

Enhanced Recovery After Surgery (ERAS)

Ziel der multimodalen Behandlungsstrategie ist die frühestmögliche postoperative Rehabilitation und Entlassung von postoperativen Patienten aus dem Krankenhaus. Zu den obersten Prinzipien zählen:
  • die Verminderung von perioperativem Stress
  • eine rasche Mobilisierung
  • ein schneller postoperativer oraler Kostaufbau
Insbesondere die metabolischen Implikationen des Konzepts erfordern ein Umdenken in der Chirurgie: Eine lange Nahrungskarenz vor dem Eingriff ist mittlerweile ebenso verpönt wie ein später oraler Kostaufbau nach der Operation. Vielmehr strebt man einen stabilen Ernährungsstatus und den Ausgleich von Mangelerscheinungen bereits vor dem Eingriff an.

Darmreinigung und Essensentzug infrage stellen

Zudem könne auf die routinemäßige präoperative Darmreinigung bei den meisten Eingriffen durchaus verzichtet werden. „Ausnahme sind tiefe Rektumresektionen oder wenn sich abzeichnet, dass man einen Teil des Kolons als Bypass benötigen wird.“ Postoperativ sei generell der frühzeitigen enteralen Ernährung der Vorzug zu geben: „Wir Chirur­gen neigen ja dazu, viel darüber nachzudenken, ob unsere Darmnähte der enteralen Ernährung standhalten. Davon müssen wir uns ein bisschen lösen.“ Schließlich könne man nicht immer genau vorhersehen, wie lange die Darmpassage dauert. „Es gibt keinen vernünftigen Grund, Patienten das Essen vorzuenthalten.“ Allerdings scheitere die frühe orale Ernährung in vielen Kliniken nicht nur am Widerstand der Chirurgen, sondern auch an der Qualität der Krankenhausküche: „Wenn Sie pro Patient und Tag nur 4,50 Euro für Essen ausgeben können, dann ist es schlecht und niemand will es essen. Dabei ist es im Sinne einer raschen Rehabilitation ungemein wichtig, dass Patienten postoperativ etwas Gutes und Schmackhaftes zu sich nehmen!“ Ein weiterer wichtiger Aspekt des ERAS-Konzepts ist die frühzeitige Selektion von Risikopatienten, wie Professor Dr. Arved Weimann, Klinikum St. Georg in Leipzig, erklärte: „Etwa ein Viertel aller stationären Patienten ist mangelernährt, doch im klinischen Alltag geht ein Patient leicht unter, wenn er prima vista metabolisch unauffällig erscheint, aber dennoch sarkopen ist.“ Derartige Fehleinschätzungen ließen sich mit einem präoperativen Screening vermeiden. Prof. Weimann empfahl hierfür eine Bioimpedanzanalyse (BIA): Damit kann ein eventueller Rückgang der fettfreien Masse leicht festgestellt werden, auch wenn der BMI stabil ist.

Guten Ernährungsstatus vor der OP sicherstellen

Bei einem entsprechendem Screening-Score sei dann eine präoperative Ernährungskonditionierung angezeigt. „Der Verzicht auf eine solche Prähabilitation führt zu einer verzögerten Rehabilitation“, betonte Professor Dr. Hans Bernd Reith, Agaplesion Diakonie Kliniken in Kassel. Bei der Umsetzung einer präoperativen Ernährungskonditionierung sei aber auch die Pflege gefragt: „Oft werden den Patienten die Flaschen mit der Trinknahrung einfach wortlos hingestellt. Leider schmecken die nicht immer gut und werden dann nicht getrunken.“ Pflege­kräfte sollten mangelernährte Patienten daher aktiv dazu anhalten, die für sie erforderlichen Kalorienzahlen auch zu erreichen: „Wenn die Energiebilanz enteral nicht auszugleichen ist, ziehen Sie auch eine kombinierte Therapie aus enteraler und parenteraler Ernährung in Betracht“, empfahl Prof. Reith, „denn ein guter Ernährungsstatus verbessert das postoperative Outcome entscheidend.“

S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Chirurgie“; AMWF-Registernummer: 073/005