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Der Nationalen Diabetesstrategie voraus: Brandenburg richtet Diabetes-Konferenz ein

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Die Konferenz kann als Vorbild für die anderen Länder dienen. Die Konferenz kann als Vorbild für die anderen Länder dienen. © iStock/PeopleImages
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Nach Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg hat auch Brandenburg einen Diabetesbericht erarbeitet. Die Verfasser geben der Landesregierung konkrete Empfehlungen für eine verbesserte Versorgung an die Hand.

Brandenburg hat die dritthöchste Prävalenz von Typ-2-Diabetes in Deutschland. Dies zeigt der Diabetesbericht, den die rot-rote Landesregierung im Mai vorgestellt hat. Bereits 2017 war sie von ihren Landtagsfraktionen beauftragt worden, eine Datenbasis zur Situation der Patienten zu schaffen. „Ich bin froh, dass wir nicht auf die Nationale Diabetesstrategie gewartet haben“, sagt Britta Müller (SPD).

Hohe Arbeitslosenquote geht mit hoher Prävalenz einher

Das Forschungsunternehmen Agenon wertete Routinedaten von AOK Nordost und Barmer aus. Wie andere ostdeutsche Länder auch, liegt Brandenburg deutlich über der bundesweiten Durchschnittsprävalenz von 9,2 %. Im Jahr 2016 waren 11,5 % der Einwohner von Typ-2-Diabetes betroffen. Das entspricht 286 000 Menschen. Besonders betroffen sind Landkreise, in denen die Arbeitslosenquote hoch ist. So leiden in der Prignitz 14 % der Einwohner unter Typ-2-Diabetes.

Die Brandenburger Diabetes Gesellschaft begrüßt den Bericht. Sie hatte das Projekt mit vorangetrieben. Die damit geschaffene Datenbasis sei sehr wichtig. „Wir sehen, wie die Patienten versorgt sind, wie die Arztdichte ist, wie viele Diabetologen es gibt. Es wäre schön, wenn es für mehr Bundesländer einen Bericht gebe. Dann könnte man diese Daten besser vergleichen“, sagt Dr. Wolfram Steinborn, Vorstandsmitglied der DDG-Regionalgesellschaft.

In der Landtagsdebatte zum Diabetesbericht zeigten sich die meisten Fraktionen bereit zu gemeinsamen Maßnahmen für eine bessere Versorgung. Ursula Nonnemacher, Fraktionsvositzende der Grünen, forderte, mehr für die Prävention von Typ-2-Diabtes zu tun.

Entscheidungen des Bundes wurden scharf kritisiert

Bis zu 90 % der Krankheitsfälle seien vermeidbar. „Vor diesem Hintergund kritisieren wir viele Entscheidungen auf Bundesebene“, so Nonnemacher. „Dazu gehören die beschlossenen Änderungen beim Check-up für über 35-Jährige, der künftig nur noch alle drei Jahre in Anspruch genommen werden darf und keine regulären Blut- und Urin-Untersuchungen mehr zur Aufdeckung eines Diabetes beinhalten soll. Geradezu fahrlässig ist aus unserer Sicht die gezielte Verschleppung einer Nährwertkennzeichnung, auch als Lebensmittelampel bekannt, durch Bundesministerin Klöckner.“

Die stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin meinte, mithilfe des selektiven Zitates „Welche Art von Ernährung als gesund oder ungesund gilt, ist kulturell unterschiedlich und unterliegt außerdem gesellschaftlichem Wandel“ einen Zusammenhang von Zucker- und Fett-Konsum und Typ-2-Diabetes widerlegen zu können. Die Partei spricht sich gegen Werbeverbote und eine Zucker-Steuer aus.

Fakten aus dem Brandenburger Diabetesbericht

Schwerpunktpraxen: 78 Arztpraxen in Brandenburg sind als diabetologische Schwerpunktpraxen anerkannt. Ihre Verteilung häuft sich in der Umgebung von Berlin; im Rest des Landes sind sie weniger dicht gestreut. Es gibt zwei ambulante und acht klinische zertifizierte Diabeteszentren. DMP: Das DMP Diabetes mellitus Typ 2 startete im Jahr 2003. Es nehmen mittlerweile 1454 Vertragsärzte daran teil. Der Brandenburger Bericht geht daher von einer flächendeckenden Versorgung mit dem Programm aus. Komplikationen: 65 % der Erkrankten (Typ 2) weisen keine diabetesassoziierten Komplikationen auf. Der Anteil derjenigen, die unter mindestens zwei Komplikationen leiden, ist zwischen 2007 und 2016 von 3 % auf 13 % gestiegen. Fast jeder Fünfte ist von einer Neuropathie betroffen, an einer Nierenerkrankung leidet jeder Siebte. Rehabilitation: Brandenburg verfügt über zehn Reha-Einrichtungen, die für Patienten mit Typ-2- Diabetes relevant sind. In einigen Regionen müssen lange Wege zurückgelegt werden, um dorthin zu gelangen.

Um die Situation der Diabetespatienten in Brandenburg verbessern zu können, geben die Autoren des Berichts der Regierung Empfehlungen. Viele davon will man umsetzen. So plant das Gesundheitsministerium, im Sommer 2019 eine Diabeteskonferenz einzurichten. In dieser sollen Akteure aus dem Bereich der Prävention und der Versorgung gemeinsam mit Patientenvertretern erabeiten, welche Maßnahmen gegen Diabetes von wem realisiert werden können. Die DDG-Regionalgesellschaft freut sich darüber: „Das ist, wo wir hinwollten. Schon vor zwei Jahren haben wir im Landtag besprochen, dass wir einen Runden Tisch wollen, um alle Beteiligten miteinzubeziehen und eine Diabetesstrategie für das Land Brandenburg zu entwickeln“ , sagt Dr. Steinborn. „Möglicherweise kann das auch als Blaupause für andere Länder oder den Bund dienen.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Raik Nowka, forderte, dass die Landesregierung sich auch von einem Beirat beraten lassen sollte.

KV und Krankenkassen sollen DMP Diabetes ausweiten

Zur Verbesserung der Versorgungsstruktur bittet die Landesregierung auch die KV und die Krankenkassen um Mithilfe: Sie sollen eine Ausweitung des DMP Diabetes mellitus Typ 2 prüfen. Ziel ist es, mehr Ärzte und Patienten für das Programm zu gewinnen. 2016 waren 63 % der Diagnostizierten in Brandenburg in das DMP eingeschrieben. Außerdem wünscht sich die Landesregierung Schulungsangebote für Patienten, die nicht am DMP teilnehmen. Um die Datenbasis über die Erkrankung in Brandenburg zu verbessern, will sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die vom Robert Koch-Institut entwickelte Diabetes-Surveillance vom Land spezifisch genutzt werden kann. In regionalen Analysen sollen auch Indikatoren sozialer Ungleichheit und der Grad der Pflegebedürftigkeit der Betroffenen erhoben werden.
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