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Samenspender-Tinder

Aus der Redaktion Autor: Kathrin Strobel

© MT
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Digitale Samenspenderdatenbank mit Steckbrief – schön und gut. Doch braucht es dafür wirklich ein Foto des Spenders oder sollte das den Datingplattformen vorbehalten sein?

Idefix, Buzz, Skipper, Wotan – was sich liest wie die Liste der Hunde im Wiesbadener Tierheim, ist in Wahrheit das Ergebnis der Spendersuche in der weltweit größten Samenbank Cryos. Derzeit sind dort mehr als tausend Spender unter teilweise skurrilen Pseudonymen registriert – die meisten davon aus Dänemark, wo sich auch der Unternehmenssitz befindet. Ich bin neugierig und melde mich an. Nach der Registrierung habe ich Zugriff auf alle hinterlegten Profile. Neben Basisdaten wie Herkunft, Haarfarbe, Gewicht und Blutgruppe erfahre ich Bildungsstand, familiären Hintergrund und Hobbys der Kandidaten – und kann meine Suche entsprechend filtern.

Vom Angebot überwältigt, klicke ich mich durch die Steckbriefe. Fast alle enthalten Kinderfotos der Spender, viele auch handgeschriebene Briefe und Sprachnachrichten. Was bis vor wenigen Augenblicken nur eine vage Vorstellung eines mit trüber Flüssigkeit gefüllten Röhrchens war, wird plötzlich erschreckend real: Denn „Wotan“ erklärt mir mit rauer Stimme und dänischem Akzent, was ihn dazu motiviert hat, seinen Samen zu spenden. Nach Wotan kommt Nemo, nach Nemo Lopez ... Und ich beginne, mich zu fragen, für wen ich mich entscheiden würde, wenn ich tatsächlich auf Spendersuche und nicht nur zu Recherchezwecken auf der Seite unterwegs wäre.

Seit Neuestem veröffentlicht Cryos auch Erwachsenenfotos der Spender. Die Bilder anzusehen ist aus Datenschutzgründen zwar kostenpflichtig und mit 200 € für ein Dreimonatsabo nicht gerade günstig. Nachgefragt wird das Angebot dennoch. Schließlich sollte der biologische Vater des Wunschkindes ein Mann sein, der auch im echten Leben optisch gefällt, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung. „Es muss sich stimmig anfühlen.“

Für mich fühlt sich das Ganze allerdings mehr und mehr an wie eine Dating-App. Cryos alias Tinder 2.0. Zumindest die Frage nach der passenden Location für das erste Date stellt sich dort nicht – und die Kinderfrage ist von Anfang an geklärt.

Kathrin Strobel
Redakteurin Medizin

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