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Zwei Berliner Gynäkologinnen wegen Verstoß gegen § 219a verurteilt

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Für die Gynäkologinnen ist eines klar: lieber Strafe als schlecht informierte Patientinnen. Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Für die Gynäkologinnen ist eines klar: lieber Strafe als schlecht informierte Patientinnen. © unlimit3d, Fokussiert – stock.adobe.com
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Erneut wurden zwei Ärztinnen schuldig gesprochen, die auf ihrer Internetseite darüber informieren, dass sie Abtreibungen anbieten – sie hatten fünf Worte zu viel dazu geschrieben. Berliner Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung reagieren mit Unverständnis.

Erst im Februar reformierte die Große Koalition den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Ärzte dürfen seitdem zumindest öffentlich bekannt machen, dass sie Abtreibungen anbieten – mehr aber auch nicht. Nun wurden zwei Berliner Gynäkologinnen verurteilt, weil sie den Schwangerschaftsabbruch auf ihrer Homepage mit den Worten „medikamentös“, „narkosefrei“ und „in geschützter Atmosphäre“ konkretisierten.

Die spezifischen Informationen zur Abtreibung hätten Bettina Gaber und Verena Weyer einen Vermögensvorteil verschafft, so das Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Es erlegte den Ärztinnen Geldstrafen von jeweils 2000 Euro auf und blieb deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Richterin selbst betonte, dass sie die Schuld für sehr gering halte.

Kristina Hänel, die 2017 wegen § 219a verurteilt wurde, bittet auf Twitter um Spenden für die beiden verurteilten Ärztinnen:

Im Vorfeld war den Ärztinnen von der Staatsanwaltschaft angeboten worden, die Anklage fallen zu lassen, falls die Formulierung gelöscht werde – aus Überzeugung entschieden sich die 52- und die 56-Jährige aber dafür, die Auseinandersetzung vor Gericht zu führen. Sie hielten es für grundlegend falsch, dass sachliche Informationen über den Schwangerschaftsabbruch verboten seien. Der Paragraf 219a schränke die Selbstbestimmung von Frauen ein und müsse weg, äußerten sie öffentlich. Sie wollen gegen das Urteil vorgehen, bis hin zur höchsten Instanz.

Urteil befeuert die Debatte um die Berechtigung von 219a

Die umstrittenen fünf Wörter stehen bereits seit 2010 auf der Internet­seite der Praxis. Juristisch relevant wurden sie aber erst, als zwei Abtreibungsgegner die Ärztinnen anzeigten – Klaus Günter Annen, der Betreiber einer Internetseite, auf der Abtreibungen mit dem Holocaust gleichgesetzt werden, und Yannic Hendricks, der auch die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel sowie zahlreiche weitere Mediziner angezeigt hatte. Gerade dieses Vorgehen der beiden Abtreibungsgegner gegen Ärzte führte nun dazu, dass die Debatte um den Paragrafen 219a erneut entbrannt ist. Die Berliner Ärztekammer kritisiert das Verbot sachlicher Informationen über den Schwangerschaftsabbruch scharf: Es kollidiere mit dem berechtigten Informationsanspruch schwangerer Frauen.

Ärztekammer und KV reagieren empört

Denn die von der großen Koalition beschlossene Ergänzung des Paragrafen gesteht Ärzten zwar den Hinweis zu, dass ihr Leistungsspektrum auch Abtreibungen umfasst. Für jede weitere Information müssen sie aber auf Beratungsstellen und die Bundesärztekammer verweisen. Diese soll auf einer zentralen Liste – die sich derzeit noch im Aufbau befindet – aufführen, welche Ärzte welche Methode der Abtreibung anbieten. Diese Reform des Paragrafen 219a hält die Ärztekammer für unzureichend: „Das Gesetz beschränkt damit weiterhin die Vermittlung sachlicher Informationen und bietet mit einer zentral geführten und öffentlich gestellten Liste auch noch ein Angriffsziel für militante Gegner einer längst überfälligen Liberalisierung.“ Auch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin reagierte mit Unverständnis auf das Urteil des Amtsgerichts. Dr. Christiane Wessel, Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Berlin und selbst Gynäkologin, erklärte, über ärztliche Leistungen zu informieren, sei aus ihrer Sicht keine Werbung.

Medical-Tribune-Bericht

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