Nackt-Filmer verliert Zulassung nach Revision
Irgendwann im Jahr 2007 muss es gewesen sein, dass ein Thüringer Zahnarzt in seiner Praxis eine Überwachungsanlage installierte. Das Pikante: Die Kameras waren auf seine Mitarbeiterinnen gerichtet, und zwar beim Umziehen und sogar unter der Dusche – täglich und jahrelang. Die Aufnahmen des unfreiwilligen Striptease wurden regelmäßig in das Büro des Arztes überspielt.
Fünf Jahre lang wurden die Mitarbeiterinnen gefilmt
Über fünf Jahre hinweg, nämlich bis 2012, setzte der Vertragszahnarzt dieses Spielchen fort. Die unzähligen Aufnahmen wurden auf einem dafür vorgesehenen Gerät fortdauernd gespeichert und offensichtlich auch immer mal wieder von dem seit 1986 niedergelassenen Zahnarzt hervorgeholt und angeschaut.
Nachdem die Sache aufgeflogen war, entzog der Berufungsausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung dem Zahnarzt seine Zulassung. Seine Klage dagegen wurde vom Sozialgericht Gotha abgewiesen – aber die Revision zugelassen. Es sei zwar klar, dass einem Vertragsarzt die Zulassung zu entziehen ist, wenn er „seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt“ (SGB V), aber es sei juristisch nicht geklärt, wann die Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als gröbliche Pflichtverletzung anzusehen ist.
Das Thüringer Landessozialgericht bestätigte die Auffassung, dass der Arzt für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ungeeignet sei. Das Gericht folgte damit nicht der Auffassung des Arztes, dass schwere Pflichtverstöße nur in Bezug auf die Patienten oder das System der vertragszahnärztlichen Versorgung begründet sein können.
Aber auch diese Entscheidung wollte der Arzt nicht akzeptieren und ging in Berufung vor das Bundessozialgericht. Dort wurde er gleichermaßen abgewatscht: Die direkte Übertragung der Filme in sein Büro wie auch die Speicherung der Aufnahmen mit dem Ziel, sich die Bilder öfter anzusehen – wie der Zahnarzt ausdrücklich einräumte –, machten ja wohl klar, dass er sich die Intimsphäre der Mitarbeiterinnen „zum Objekt seiner besonderen Interessen gemacht hat“, so das Gericht. Dieses Verhalten könne die Betroffenen nachhaltig traumatisieren.
Mit so einem Mediziner muss man nicht zusammenarbeiten
Das Bundessozialgericht bestätigt somit endgültig: Mit einem Mediziner, der sich über Jahre so verhalten habe, müssten die Träger der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht zusammenarbeiten: Dem Zahnarzt darf die Kassenzulassung entzogen werden, auch wenn er wegen der Tat nicht rechtskräftig verurteilt wurde.
Denn der Zahnarzt hatte unverdientes Glück gehabt: Das zu dem Zeitpunkt geltende Strafrecht sah eine Verfolgung der Tat nur auf Antrag vor – die Strafanzeigen hatten die MFA jedoch zurückgezogen. Seit dem Januar 2015 ist eine Strafverfolgung dagegen auch von Amts wegen möglich.
Quelle: BSG-Urteil vom 3.4.2019, Az.: B 6 KA 4/18 R