Neues Adipositas-Medikament Die Abnehmspritze aus der Apotheke

Verordnungen Autor: Angela Monecke

Ab Ende Juli soll das Medikament auch in deutschen Apotheken erhältlich sein. Ab Ende Juli soll das Medikament auch in deutschen Apotheken erhältlich sein. © Dragana Gordic – stock.adobe.com

Die Abnehmspritze Wegovy™ können nun auch deutsche Ärzte ihren adipösen Patienten indikationsgerecht verordnen. Ende Juli soll das Medikament nach Herstellerangaben hierzulande erhältlich sein. Der Hype um die Spritze führt immer wieder zu Lieferengpässen. Gesetzlich Versicherte müssen das neue Präparat selbst bezahlen.

Auch in hiesigen Apotheken kann ab Ende Juli an stark übergewichtige Menschen der Wirkstoff Semaglutid in höherer Dosis von bis zu 2,4 mg ausgegeben werden, sofern diese ein Rezept mit der entsprechenden Indikation mitbringen und das Produkt mit dem Handelsnamen Wegovy™ verfügbar ist. Zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mit und ohne Adipositas ist Semaglutid 1,0 mg bereits seit 2018 auf dem deutschen Markt (Handelsname: Ozempic®).

In den USA wird der Wirkstoff aus der Gruppe der GLP1-Rezeptoragonisten seit einigen Monaten sehr stark im Off-Label-Use, also zulassungsüberschreitend, verwendet – auch weil viele Prominente wie Elon Musk oder Kim Kardashian ihre schwindenden Kilos durch die Spritze auf TikTok und Instagram offensiv bewarben: Mit dem Produkt lässt sich auch bei Menschen ohne Diabetes eine Gewichtsreduktion erzielen – bei adipösen Menschen von etwa 15 %. 

In Europa längst zugelassen, in Deutschland jetzt erhältlich

Seit Januar 2022 hat das Medikament Wegovy™ die EU-Zulassung bei Adipositas – genauer bei Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 27 oder höher mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung oder mit einem BMI von 30 oder mehr, jeweils verbunden mit einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität. Eine erweiterte Zulassung des Arzneimittels für Jugendliche ab zwölf Jahren mit Adipositas bzw. Übergewicht (über 60 kg) hat zudem der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur empfohlen. 

Als mögliche Nebenwirkungen des Präparats gelten u.a. Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Durchfall. 

Der Hype um die Abnehmspritze in den USA sorgt immer wieder für Engpässe – in Übersee, aber auch in europäischen Ländern. Nach Angaben des Unternehmens Novo Nordisk ließen sich diese auch durch kurzfristige Gegenmaßnahmen nicht komplett vermeiden und werden voraussichtlich noch bis zum kommenden Jahr andauern. 

Die Engpass-Situation hat auch dazu geführt, dass das neue Präparat erst jetzt auf den deutschen Markt kommt. Ein verstärktes Interesse an dem in den USA so gefragten Schlankheitsmittel war in den  deutschen Apotheken bislang kaum festzustellen. Wenn danach gefragt werde, dann direkt beim Arzt. „Offenbar ist den interessierten Patienten bewusst, dass es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt, sodass der Gang in die Apotheke ohne ärztliche Verordnung in der Regel nicht erfolgt“, erklärt Rechtsanwältin und Apothekerin Isabel Kuhlen aus dem hessischen Vellmar. 

Allerdings gibt es auch hierzulande Patienten, die zwar nicht an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, den Wirkstoff zum schnellen Abnehmen aber von ihrem behandelnden Arzt doch verordnet bekamen. Dies geschah im Off-Label-Use und trug dazu bei, dass diese Einheiten für die Diabetestherapie mancherorts fehlten.

Bei jeder Anwendung eines Arzneimittels über seinen Zulassungsumfang hinaus müsse sich der Arzt über das – mangels ausreichender Datenlage – schwerer einschätzbare Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und das damit erhöhte Haftungsrisiko im Klaren sein, warnt Isabel Kuhlen. Eine solche Verordnung sei daher nur nach umfassender Aufklärung vertretbar – und nur, wenn der Patient in die Behandlung einwillige, erläutert die Rechtsanwältin. 

Gegenüber dem Patienten sei es im Fall der Abnehmspritze immer sinnvoll, darzulegen, „dass ein Off-Label-Use, der nicht vom pharmazeutischen Unternehmer unterstützt wird und zu einer Aufnahme in den Teil A der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie geführt hat, mangels ausreichender Studiendaten ein größeres Gesundheitsrisiko für den Patienten mit sich bringt, sodass die Anwendung sorgfältig abzuwägen ist“, betont Kuhlen. „Soweit dieses Risiko nicht abschätzbar ist, sollte keine Verordnung erfolgen.“ 

Obwohl Experten vor dem unkontrollierten Anwenden der Abnehmspritze in unterschiedlicher Dosierung und vor allem im Eigengebrauch immer wieder warnen: So mancher Patient, der an einer Verordnung für die Spritze bei seinem Arzt scheitert, beschreitet womöglich illegale Wege. Nach Angaben der Apothekerkammern und der Landeskriminalämter nimmt die Zahl der Rezeptfälschungen zu Ozempic® weiter zu. Um solchen Missbrauch zu vermeiden und die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes zu sichern, informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits im April darüber, dass im ambulanten Bereich die Verordnung von Ozempic® nur noch unter Angabe der zugelassenen Indikation (Diabetes mellitus Typ 2) erfolgen soll. Sofern die Indikationsangabe auf dem Rezept fehle, sei die Apotheke dazu angehalten, sich mit dem verordnenden Arzt in Verbindung zu setzen, damit dieser die zulassungskonforme Indikation bestätige, so das BfArM. Auch dem Hamstern von Medikamenten schob die Behörde einen Riegel vor: Die verordnete Menge des Medikaments soll den Bedarf für drei Monate nicht übersteigen, bei Ozempic® sind das drei Fertigpens (N3)

Gesetzlich Krankenversicherte ohne Diabetes, aber mit zu viel Gewicht auf der Waage, die ihre Kilos mittels der Abnehmspritze nun schnell purzeln sehen, dürften erst einmal schlucken, wenn sie den Preis hören: Für die höchste Dosis von 2,4 mg für die einmal wöchentliche Spritze macht der Abgabepreis für vier Wochen etwa 302 Euro aus. Semaglutid bleibt damit aber deutlich günstiger als in den USA, wo ein knapp vierfach höherer Listenpreis für Wegovy™ anfällt; dieser liegt bei 1350 Dollar pro Monat für die Höchstdosis. Käufer müssen hierzulande dafür also nicht so tief in die Tasche greifen, leisten können sich das aber sicher nicht viele der Selbstzahler – zumal das Präparat seine Wirkung verliert, sobald man es wieder absetzt. 

Nach wie vor werden die Kosten für Medikamente zur Gewichtsregulierung von der GKV nicht übernommen. Das niedriger dosierte Semaglutid ist hingegen ein Diabetesmedikament und wird von den Kassen bei Anwendung in dieser Indikation bezahlt. 
Inwieweit sich ein Medikamenten-Schwarzmarkt für die neue Abnehmspritze entwickeln könnte, hängt davon ab, „in welchem Umfang das Produkt zugänglich sein und wie konsequent gegen Verstöße vorgegangen wird“, schätzt Kuhlen. Im Warenlager der Apotheken verfügbar sei Wegovy™ momentan jedenfalls (noch) nicht. Ausreichend viele Pens sollen für das zweite Halbjahr in Deutschland aber gesichert sein, so der Hersteller.

Quelle: Medical Tribune-Bericht