Parkinson Guter Schlaf schützt das Gehirn

Autor: Dr. Joachim Retzbach

Die Prodromalphase von Parkinson kann 20 Jahre vor der Diagnose beginnen. Erholsamer Schlaf ist in dieser Zeit wichtig. Die Prodromalphase von Parkinson kann 20 Jahre vor der Diagnose beginnen. Erholsamer Schlaf ist in dieser Zeit wichtig. © jre (generiert mit KI)

Parkinson kann immer besser schon im Prodromalstudium festgestellt werden. Welche Möglichkeiten für Interventionen gibt es in frühen Stadien der Erkrankung? Vor allem ein gesunder Schlaf – sowohl Tiefschlaf als auch REM-Schlaf – sollte Experten zufolge Bestandteil multimodaler Behandlungskonzepte sein.

Die Prävalenz von neurodegenerativen Erkrankungen steigt – und zwar schneller, als die Bevölkerung altert. Das stellte der Schlafmediziner PD Dr. Dieter Kunz vom Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin fest. „Wir erreichen das Alter, in dem diese Erkrankungen klinisch relevant werden, immer häufiger“, so Dr. Kunz. Schon lange vorher jedoch schwelen Erkrankungen wie Morbus Parkinson im Körper, ohne sich auf der funktionellen Ebene bemerkbar zu machen. Wenn Parkinson klinisch sichtbar wird, sind bereits 50–70 % der Neuronen in der Substantia nigra beeinträchtigt, erklärte Dr. Kunz. Der Früherkennung sowie der möglichen primären und sekundären Prävention kommen daher eine immer größere Rolle zu.

Betroffene wälzen sich nachts herum oder schlagen um sich

Ein Marker für die Prodromalphase eines Morbus Parkinson ist die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (REM sleep behavior disorder, RBD). Sie ist charakterisiert durch das lebhafte Ausagieren von Träumen aufgrund fehlender REM-Schlaf-assoziierter Muskelatonie. „Jeder von uns träumt jede Nacht wild mehrere Stunden“, so der Referent. Damit das nicht ausgelebt wird, ist die quergestreifte Willkürmuskulatur normalerweise komplett paralysiert. Diese Hemmung ist bei RBD gestört, weshalb die Betroffenen sich beim Träumen stark bewegen, sich herumwälzen oder um sich schlagen.

Bei Menschen, die alleine schlafen, bekommen die Angehörigen davon oft nichts mit. Hellhörig werden sollte man aber bei Aussagen wie „Mein Vater fällt nachts oft aus dem Bett“. Neben einem Anfallsleiden oder Schlafwandeln könnte dahinter eine RBD stecken.

Jährlich konvertieren etwa 6–7 % aller Patienten mit isolierter REM-Schlaf-Verhaltensstörung (iRBD) zu einer klinischen a-Synucleinopathie. Nach zwölf Jahren ist weniger als ein Fünftel der Patienten noch nicht konvertiert. „Wir gehen daher heute davon aus, dass sich jeder Patient mit einer isolierten REM-Schlaf-Verhaltensstörung bereits in der Prodromalphase einer a-Synucleinopathie befindet“, so Dr. Kunz. Ob umgekehrt auch jeder Parkinsonpatient zuvor an einer iRBD gelitten hat, ist dagegen noch nicht geklärt. Die Abnahme des Dopamintransporters in der DaT-SPECT* könne den Verlauf der Konversion im Rahmen einer iRBD anzeigen, erklärte der Referent. Diese Diagnostik sei aber zu aufwendig, um sie standardmäßig durchzuführen.

Gegen die REM-Schlaf-Verhaltensstörung  hilft eine Behandlung mit Melatonin, wie u.a. eine eigene Studie von Dr. Kunz und Kollegen zeigt. Schon nach einer vierwöchigen Einnahme besserte sich die Symptomatik deutlich. Die Wirkung blieb über mehrere Jahre stabil. Dabei dürfe man aber keinesfalls die Packungsbeilage befolgen, erklärte der Referent. Denn dieser zufolge solle man Melatonin „ein bis zwei Stunden vor den Zubettgehen oder nach dem Abendessen“ einnehmen.

„Wir sagen den Patienten hingegen: Nehmen Sie das Mittel immer zur gleichen Uhrzeit ein!“, so Dr. Kunz. Das sei wichtig, weil Melatonin kein Schlafmittel ist, das man zur Nacht nimmt. Stattdessen dient der Melatoninspiegel als Taktgeber für die innere Uhr – deshalb muss die Tablette immer zur gleichen Zeit eingenommen werden, unabhängig davon, wann man schlafen geht. Nur bei Teilnehmern, die diese „chronobiotische“ Einnahme praktizierten, sank die Konversionsrate zu Morbus Parkinson deutlich. Auch die Kognition dieser Patienten verbesserte sich.

Tiefschlaf dominiert in der ersten Nachthälfte

Auf die Rolle des Tiefschlafs ging Dr. Simon Schreiner vom Universitätsspital Zürich ein. Tiefschlafphasen sind durch Deltawellen in EEG-Wellen (ca. 0,1–3,5 Hz) definiert, es gibt aber auch eine Reihe mikrostrukturelle Phänomene wie die Schlafspindeln. Der Tiefschlaf tritt in der ersten Nachthälfte deutlich häufiger auf. Später, wenn der Schlafdruck bereits etwas nachgelassen hat, geht sein Anteil zurück und es findet stattdessen mehr REM-Schlaf statt.

Fragmentierung der Schlafphasen zeigt sich früh

Immer deutlicher werde, dass auch Störungen des Tiefschlafs neurodegenerative Prozesse beeinflussen, so Dr. Schreiner. So ist aus Tierstudien mit Alzheimer-Mäusen bekannt, dass Schlafentzug zu einer vermehrten Produktion von b-Amyloid-Plaques und Tau-Protein führt. Beim Menschen konnte nachgewiesen werden, dass bereits eine durchgemachte Nacht zu einem Anstieg von Tau-Proteinen und a-Synuclein im Liquor führt. Dabei ist es vor allem schädlich, wenn die Tiefschlafphasen entfallen, so Dr. Schreiner. Verantwortlich dafür dürften unter anderem Clearance-Prozesse im Tiefschlaf sein, bei denen Abfallstoffe im ZNS entsorgt werden.

Bei Parkinson zeigt sich schon früh eine Fragmentierung der Schlafphasen. Störungen des REM-Schlafs und weniger erholsame Tiefschlafphasen gingen dabei vermutlich Hand in Hand, sagte Dr. Schreiner. Mit zunehmender Krankheitsdauer verringert sich bei Parkinson auch der Tiefschlafanteil. Dabei schreitet die Progression der Krankheit umso stärker voran, je weniger tief die Patienten nachts schlafen.

Pharmakologisch lassen sich die Tiefschlafphasen u.a. mit Natrium-Oxybat stärken, das in Deutschland zur Behandlung der Narkolepsie mit Kataplexien zugelassen ist. Eine placebokontrollierte Studie ergab, dass die Substanz zu mehr Tiefschlafphasen führt. Dies ging allerdings zulasten der REM-Schlaf-Phasen und einer normalen Spindelaktivität. Einer weiteren Studie zufolge bessert sich durch eine Gabe von Natrium-Oxybat nicht nur der Tiefschlaf. Auch die Tagesschläfrigkeit der Betroffenen ging zurück. Im Tiermodell verringerte die Substanz auch Synuclein-Ablagerungen.

Nicht-pharmakologisch besteht die Möglichkeit, den Schlaf mithilfe einer akustischen Stimulation zu vertiefen. Die Patienten tragen dabei nachts ein mobiles EEG-System auf dem Kopf. Werden langsame Delta-Wellen (<1 Hz) erkannt, ertönen über eine Feedbackschleife kurze akustische Stimuli (jeweils 50 ms „rosa Rauschen“). Diese sind rhythmisch genau auf die EEG-Oszillationen abgestimmt und verstärken die Delta-Wellen, was zu einem tieferen Non-REM-Schlaf führt.

In einer Proof-of-Concept-Studie konnte bereits 2013 gezeigt werden, dass sich mithilfe dieser Intervention die Gedächtniskonsolidierung über Nacht verbessert. Zwei aktuelle Studien von Dr. Schreiner und Zürcher Kollegen legen nahe, dass die Methode – die mittlerweile für die Anwendung zu Hause weiterentwickelt wurde – auch Parkinsonpatienten helfen könnte. Ihr Tiefschlaf wurde durch die nächtliche akustische Stimulation verbessert. Nach mehreren Wochen der Anwendung ergab sich auch ein positiver Effekt auf die Krankheitssymptome.

* Dopamintransporter in der Einzelphoton-Emissionscomputertomografie

Quelle: Kongressbericht Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen 2024