Post-COVID-Syndrom-Score Je höher der Punktwert, desto schwerer die Langzeitfolgen

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Langzeitfolgen, die durch eine Coronainfektion entstehen, lassen sich nun dank eines Score-Systems besser kategorisieren. Langzeitfolgen, die durch eine Coronainfektion entstehen, lassen sich nun dank eines Score-Systems besser kategorisieren. © freshidea – stock.adobe.com

Mittels des Post-COVID-Syndrom-Scores lassen sich die Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion einfach und symptom­orientiert bestimmen.

Nach wie vor sind die Folgen des Post-COVID-Syndroms (PCS) für die öffentliche Gesundheit unklar. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es keine geeigneten Verfahren gibt, um Vorhandensein und Schweregrad des Syndroms zuverlässig zu beurteilen. Im Rahmen der bevölkerungsbasierten Kohortenstudie ­COVIDOM haben Wissenschaftler jetzt einen symptombasierten ­Score entwickelt und klinisch bedeutsame Prädiktoren identifiziert.

Eingeschlossen in ­COVIDOM waren mehr als 1.400 erwachsene Patienten mit einer durch Polymerase-Kettenreaktion bestätigten SARS-CoV-2-Infektion, die zwischen dem 15. November 2020 und dem 29. September 2021 den Gesundheitsämtern in ­Kiel, ­Berlin und Würzburg gemeldet worden waren. Zwischen dem Zeitpunkt der Infektion und dem Aufsuchen des Studienzentrums mussten mindestens sechs Monate liegen. Wichtigstes Ausschlusskriterium war eine akute Reinfektion mit SARS-CoV-2. 

Anhand der Ergebnisse der Subkohorte ­Kiel-I wurde ein Punktesystem entwickelt, das auf zwölf Langzeit-Symptomkomplexen basiert.

Die 12 Symptomkomplexe des Post-COVID-Syndrom-Scores

Nummer

Symptomkomplex 

selbstberichtete Subsymptome*

1.

chemosensorische Defizite

Riechstörung, beeinträchtigter Geschmackssinn (3,5 Punkte)

2.

Fatigue  

Fatigue (7 Punkte)

3.

Belastungsintoleranz

Kurzatmigkeit, verminderte körperliche Leistungsfähigkeit (4 Punkte)

4.

Gelenk- oder Muskelschmerzen

Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen (6,5 Punkte)

5.

Hals-Nasen-Ohren-Beschwerden

Heiserkeit, Halsschmerzen, laufende Nase (5,5 Punkte)

6.

Husten, Atemnebengeräusche (wheezing)

Husten, Atemnebengeräusche wie pfeifendes Atmen (7 Punkte)

7.

Brustschmerz

Brustschmerz (3,5 Punkte)

8.

gastrointestinale Beschwerden

Magenschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Übelkeit (5 Punkte)

9.

neurologische Beschwerden

Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerzen, motorische Defizite, sensorische Defizite, Taubheit, Zittern, Defizite bei Konzentrationsfähigkeit, Kognition oder Sprache (6,5 Punkte)

10.

dermatologische Beschwerden

Haarausfall, Hautausschlag, Juckreiz (2 Punkte)

11.

Anzeichen einer Infektion

Schüttelfrost, Fieber, allgemeines Unwohlsein/grippeähnliche Symptome (3,5 Punkte)

12.

Schlafstörungen

 Insomnie, unruhiger Schlaf (5 Punkte)

* Alle selbst gemeldeten Sub-Symptome wurden in standardisierten Interviews etwa sechs bis zwölf Monate nach der Infektion erhoben. Wenn mindestens ein Sub-Symptom vorhanden war, wurde der binäre Indikator des entsprechenden Symptomkomplexes mit 1 (vorhanden) kodiert, andernfalls wurde der Indikator auf 0 (nicht vorhanden) gesetzt.

Alle Subsymptome wurden in standardisierten Interviews sechs bis zwölf Monate nach der Infektion erhoben. Wenn mindestens ein Subsymptom vorhanden war, wurde der binäre Indikator des entsprechenden Symptomkomplexes mit 1 (vorhanden) kodiert, andernfalls wurde der Indikator auf 0 (nicht vorhanden) gesetzt. Die zusätzliche Bewertung der Symptomschwere (nicht/gering vorhanden, moderat oder schwer) lieferte eine Gewichtung. Damit ergibt sich eine Skala von 0 bis 59 für den Post-COVID-Syndrom-Score (PCS-Score). Mittels der zwei Subkohorten Würzburg/Berlin und ­Kiel-II wurde das System validiert.

In der Subkohorte ­Kiel-I (n = 667) mussten 90 % der Teilnehmer wegen akuter ­COVID-19 ambulant behandelt werden. Die häufigsten Symptome, die sechs bis zwölf Monate nach Infektion persistierten, waren neurologische Beschwerden (61,5 %), Müdigkeit (57,1 %) und Schlafstörungen (57,0 %). 

In den Subkohorten Würzburg/Berlin (n = 316) und ­Kiel-II (n = 459) waren höhere Punktwerte mit einer signifikant geringeren gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert. Schweres, mäßiges oder leichtes/kein Post-COVID-19 gemäß PCS-Score trat bei 18,8 %, bei 48,2 % bzw. 32,9 % der Patienten aus der Kiel-I-Subkohorte auf. In beiden Validierungssubkohorten waren die Intensität der Symptome in der akuten Krankheitsphase und die persönliche Belastbarkeit statistisch signifikante Prädiktoren für den Wert im PCS-Score.

Quelle: Bahmer T et al. EClinicalMedicine 2022; 51: 101549; doi: 10.1016/j.eclinm.2022.101549