Regresse: Ärzte sollten nicht die Probleme anderer lösen!

Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

Welche Maßnahmen zur Regress-Prävention gibt es? Dr. Dieter Kreye, stellvertretender Vorsitzender der KV Mecklenburg-Vorpommern und Prüfarzt, gab dazu auf der Practica Tipps.

„Unser Apotheker hat gesagt, dass dieses spezielle Medikament für einen querschnittsgelähmten Patienten das beste ist und wenn wir es aufschreiben, wird die Kasse sogar noch Geld sparen“, erzählt ein Arzt im Seminar „Wirtschaftlichkeitsprüfung und Regressvermeidung“. Jetzt liegt dem Arzt der 18 000 Euro teure Regress für einen (!) Patienten schwer im Magen.


Die Kollegen sollten kritisch bleiben und sich auf die gesundheitlichen Probleme ihrer Patienten konzentrieren. Extrawünsche sollten sie ignorieren, rät Dr. Kreye. Auch wenn Apotheker, Patienten oder Kassen bitten, betteln oder gar fordern: Es darf nicht sein, dass ein Arzt mit seinem Honorar die Therapie des Patienten bezahlt.


Geprüft werden kann bei Ärzten eigentlich alles, sagt Dr. Kreye. Abrechnung, Arznei- und Heilmittelverschreibungen, Krankenhauseinweisungen, Krankentransporte, AU-Bescheinigungen oder das Überweisungsverhalten – die Anlässe für Prüfungen sind nahezu unerschöpflich.

Arzneimittel auf Erlaubnis zum Off-Label-Use überprüfen

In Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren sich die Kassen derzeit vor allen Dingen auf die „sonstigen“ Schäden, weiß Dr. Kreye. Dabei geht es z.B. um nicht verordnungsfähige Arzneimittel.


Hier sollten sich Ärzte auch nicht auf die Information eines Krankenhausarztes, eines Apothekers oder eines Therapeuten verlassen. „Schauen Sie bei allen Medikamenten nach, die Sie nicht kennen. Und überprüfen Sie, ob überhaupt eine Indikation gegeben ist und ob Off-Label-Use erlaubt ist oder nicht“, rät Dr. Kreye.

Überweisungsschein mit „vom Facharzt veranlasst“

Oft kommen Patienten auch vom Facharzt zurück, der z.B. zu einer Kontrolluntersuchung in drei Monaten rät. Wenn der Hausarzt den Grund nicht kennt und eine Überweisung gewünscht ist, sollte er zur Regressprophylaxe den Überweisungsschein mit „vom Facharzt veranlasst“ kennzeichnen, lautet der Tipp von Dr. Kreye.


Zu den Prüfungsmethoden zählen die Auffälligkeitsprüfung, wenn etwa die Richtgrößen überschritten werden, vom Fachgruppendurchschnitt abgewichen wird oder wenn sich Auffälligkeiten bei der Plausibilität ergeben.

Zufälligkeitsprüfung umfasst vier Quartale

Daneben können Ärzte in eine Zufälligkeitsprüfung (Stichprobe) geraten, in der Abrechnung, Überweisungen/Klinikeinweisungen/AU-Bescheinigungen oder sonstige veranlasste Leistungen über vier Quartale überprüft werden können.


„Was mache ich mit einem arbeitsunfähigen Patienten, der ewig auf einen MRT-Termin warten muss und es auf eine Op. hin­ausläuft? Darf ich ihn dann bis zu diesem Termin krankschreiben?“, möchte ein Kollege aus dem Publikum wissen.


Die Wartezeit auf den MRT-Termin hat nichts mit der Arbeitsfähigkeit zu tun, sagt Dr. Kreye. Es kommt darauf an, ob der Patient mit seinem Befund arbeiten kann oder nicht.

Beim Beschwerdeausschuss persönlich vorsprechen

Gerät der Arzt in eine Prüfung, heißt es: ruhig bleiben! Auch wenn die Anschuldigungen noch so absurd erscheinen und als ungerecht empfunden werden, sei es nicht klug, auf die KV-Leute „einzuprügeln“, sagt der Prüfarzt. Er rät: Nehmen Sie sich zurück, bleiben Sie sachlich.


Liegt eine Vorladung zum Beschwerdeausschuss vor, sollte der Arzt persönlich erscheinen – auch wenn das Zeit und Mühe kostet. Denn das persönliche Erscheinen werde in der Regel positiv gewertet, so Dr. Kreye.


Bei einer 25prozentigen Richtgrößenüberschreitung gilt seit 2012 „Beratung vor Regress“. Diese Beratung sollte nicht allgemein gehalten sein und dem Arzt aufzeigen, was er falsch gemacht hat, und vor allem wie er es hätte richtig machen können.

Joker „Beratung“ nicht leichtfertig einsetzen

Liegt die Überschreitung beispielsweise bei 25,2 %, rät der KV-Vize dazu, trotzdem Widerspruch einzulegen. Denn ansonsten sei der Joker „Beratung“ für die Zukunft für lau verloren.


Ältere Ärzte, die in ein bis zwei Jahren in Rente gehen, können versuchen in einem Regressverfahren individuelle Richtgrößen zu vereinbaren. Damit kann ein Regress umgangen werden. Das kann auch für andere Praxen im Einzelfall eine gute Strategie sein. Oder aber ein Arzt verzichtet auf einen Widerspruch – dann werden automatisch 20 % von der Regresssumme erlassen.


Im Vorfeld sollten sich Ärzte gut überlegen, welche Argumente sie in Prüfverfahren ins Feld führen. Denn Dr. Kreye hat es schon erlebt, dass sich Kollegen um Kopf und Kragen reden und alles noch schlimmer machen. Wer z.B. argumentiert, dass er bei einer Einzelprüfung nicht in die Gruppe reinpasst und eine andere Fachgruppe vorschlägt, kann sich selbst ein Bein stellen.


Dr. Kreye erinnert sich an einen Arzt, der mit Orthopäden verglichen werden wollte. Ein schlechter Schachzug, weil der Durchschnittswert hier geringer war und die Regresssumme am Ende noch höher hätte ausfallen können.


Auch die Begründung: „Ich behandele den Patienten kostengünstig ambulant und vermeide damit teure Krankenhausbehandlungen“, muss nicht ziehen, weiß Dr. Kreye. Insbesondere bei Heilmittelverordnungen kann positiv gewertet werden, wenn der Arzt aufzeigt, dass er differenziert und nicht routinemäßig verordnet hat.

Verbandskameraden mit Prüfarzterfahrung befragen

Wer in ein Verfahren gerät, sollte am besten mal bei seinem Berufsverband nachfragen, ob sich Prüfärzte unter den Kollegen befinden, die individuelle Informationen und Tipps liefern können, meint Dr. Kreye. Werden Sie berufspolitisch aktiv, appelliert der KV-Vize an die Kollegen.


Ärzte sollten sich dafür einsetzen, dass die Stelle des unparteiischen Vorsitzenden im Beschwerdeausschuss mit einem Arzt besetzt wird, und darauf einwirken, dass auch ein Hausarzt in den Prüfgremien vertreten ist.


Quelle: Practica 2013, Bad Orb