Scheidung zwingt zum Praxisverkauf?

Autor: MT, Foto: Thinkstock

Lässt sich ein Arzt scheiden, drohen oft ein beträchtlicher Zugewinnausgleich – im schlimmsten Fall muss der Arzt die Praxis verkaufen. Deswegen: Ehevertrag ergänzen oder anpassen!

Grundsätzlich gilt: Haben Ehegatten keine Regelung getroffen, muss derjenige mit dem größeren Vermögenszuwachs seinem Expartner einen finanziellen Ausgleich leisten. Was dabei leicht übersehen wird: Auch immaterielle Werte erhöhen den Ausgleichsanspruch des Ehegatten, warnt die Rechtsanwältin und Steuerberaterin Dr. Stephanie Thomas.

Dies bekräftigt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 9.2.2011, Az.: XII ZR 40/09. Bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs ist demnach der „Goodwill“ zu berücksichtigen. Dazu zählen der Patientenstamm, Standortfaktoren, der gute Ruf der Praxis etc.

Tückisch dabei: Der Goodwill ist an die Praxis gebunden und wird erst bei einer Veräußerung zu liquiden Mitteln. „Der freiberuflich Tätige kann im Scheidungsfall zum wirtschaftlich unsinnigen und steuerlich belastenden Verkauf der Praxis oder seines Anteils an der Berufsausübungsgemeinschaft gezwungen sein“, erklärt Dr. Thomas, Rechtsanwältin und Steuerberaterin der Wirtschaftskanzlei WWS. „Dabei bildet diese Tätigkeit seine Existenzgrundlage und ist oft auch die Basis für Unterhaltszahlungen.“

Heute setzt man oft auf die modifizierte Zugewinngemeinschaft

Deshalb sollte das ausgleichspflichtige Vermögen vertraglich begrenzt werden. Doch möchten und sollten Ehegatten von der betrieblichen Vermögensbildung nicht komplett ausgeschlossen werden, da diese oft deutlich höher ausfällt als im Privatbereich. Dr. Thomas: „Es gilt einen ausgewogenen Ausgleich der Interessen zu finden.“

Während Eheverträge von Freiberuflern früher häufig Gütertrennung vorsahen, wird heute vielfach die sog. modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart. Dabei wird der gesetzliche Güterstand mit individuellen Vereinbarungen ergänzt oder angepasst.

Vielfältige Regelungen sind möglich: Ehepartner können das in der Praxis gebundene Vermögen ganz oder auch nur den Goodwill aus dem Zugewinnausgleich herausnehmen. Um Bewertungsstreitigkeiten zu vermeiden, kann der Ausgleichsanspruch auch klar begrenzt werden, etwa auf den Abfindungsanspruch, der im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist. Zusätzlicher Vorteil: Dieser Wert schließt den Goodwill oft aus.

Eine weitere Option ist es, den Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung auszuklammern, für den Todesfall aber beizubehalten oder den Ausgleichsanspruch zu stunden. Im Gegenzug kann für den Ehegatten eine andere Form der Absicherung aufgebaut werden, etwa eine Kapitallebensversicherung.

„Betroffene Ehepaare sollten ihre Eheverträge prüfen und gegebenenfalls anpassen“, rät die WWS-Expertin. „Wer noch keinen Ehevertrag besitzt, kann während der Ehe jederzeit eine Regelung vor dem Notar nachholen.“ Dabei sollten Selbstständige immer auch bestehende Gesellschaftsverträge oder Nachfolgeregelungen im Blick haben. Vereinbarungen können sich unter Umständen wechselseitig aushebeln.