HzV Alle gewinnen

Gesundheitspolitik Autor: H. Glatzl

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Besser betreut, schneller bei der Terminvergabe, weniger Klinikeinweisungen und Medikamente, gleichzeitig eine angemessene Honorierung! Das sind die Kernaussagen der Evaluation zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg, die von der AOK und MEDI jetzt vorgelegt wurde.

„Die HzV lebt!“… und das „hervorragend!“, so verkündeten es stolz die beiden Väter Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, und MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner zusammen mit Dr. Berthold Dietsche vom Hausärzteverband Baden-Württemberg. Wichtigste Botschaft der HzV-Streiter: Die Studienergebnisse der Universitäten Frankfurt/Main und Heidelberg belegen erstmals, dass die intensivere Behandlung durch den Hausarzt in Baden-Württemberg dabei hilft, mehr als 4 500 Krankenhauseinweisungen in der HzV pro Jahr zu vermeiden. Besonders chronisch Kranke und ältere Menschen profitieren. Die Arzneimittelausgaben sind trotzdem pro Patient und Jahr um 100 Euro geringer als in der Regelversorgung. Begleitet wird der Jubel über den Erfolg des Modellvorhabens von beißender Kritik an den "Monopolisten des Altsystems". Namentlich genannt wird die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die „aus Angst um Pfründe“ und "Machtverlust" jede Reform blockieren würde.

VERAH hilft

Die HzV hat sich mit mehr als 1,25 Millionen Versicherten und über 3 800 Hausärzten in Baden-Württemberg seit dem Start im Jahr 2008 inzwischen fest etabliert. Die Arbeit der mittlerweile über 1 500 arztentlastenden Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) wirke sich für Ärzte und Patienten gleichermaßen positiv aus. „Die HzV setzt in der ärztlichen Versorgung auf den Teamgedanken und hat den Tanker Gesundheitswesen langsam, aber sicher auf einen neuen, vielversprechenden Kurs gebracht“, so die beiden Leiter der Studie, Professor Dr. Ferdinand M. Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, und Prof. Dr. med. Dipl. Soz. Joachim Szecsenyi, Ärztlicher Direktor der Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Heidelberg, bei der Präsentation ihrer Ergebnisse in Berlin.

Arzneimittelsteuerung funktioniert

Für die Jahre 2011 und 2012 konnten demnach 9 000 Klinikeinweisungen vermieden werden. Laut Szecsenyi, „eine Folge der viel intensiveren Beziehung zwischen HzV-Arzt und Patient.“ So hätten HzV-Patienten durchschnittlich pro Jahr drei Hausarztkontakte mehr als die Versicherten in der Regelversorgung. Überflüssige Behandlungen nähmen dagegen ab. Die „unkoordinierten Facharztkontakte“ liegen um mehr als 20 % unter der Regelversorgung. Es werden aufgrund einer konsequenteren Arzneimittelsteuerung ein Drittel weniger Medikamente verschrieben. „Die Pharmatherapiekosten im ambulanten Bereich waren für die HzV-Versicherten pro Jahr und Patient schon ohne Rabattberücksichtigung über 100 Euro geringer als in der Regelversorgung“, versichert der Versorgungsforscher Szecsenyi. Und Gerlach ergänzt: „Eine stabile, kontinuierliche, auf eine langfristige Arzt-Patienten-Beziehung angelegte hausärztliche Versorgung der Versicherten wird nachweislich gestärkt. Die HzV-Patienten nehmen diese Veränderungen positiv wahr und schätzen es, dass auch die Informationen aus Facharztbehandlungen beim Hausarzt zusammenlaufen. HzV-Praxen betreiben ein konsequentes Patientencoaching und entwickeln sich so zur Teampraxis.“

HzV ist kein Sparmodell

Die AOK investierte allein 2013 insgesamt über 300 Millionen Euro in den Hausarztvertrag (vgl. Abb.). Auch wenn rund zwei Drittel der Summe zur Bereinigung der KV-Überweisungen aufgewendet werden, sind die wirtschaftlichen Effekte wie für entfallene KV-Einzelleistungen, vermiedene Klinikeinweisungen oder rationalere Arzneimitteltherapie mit 127 Millionen durchaus spürbar. Nicht zu vernachlässigen ist die Versichertenentlastung in Höhe von 22 Millionen Euro durch Zuzahlungsbefreiung.

Mehr Wertschätzung für Hausärzte

Dieses Geld geht, so betont Hermann, „nicht in Beliebigkeit, sondern in den Qualitätswettbewerb. Es geht um Wert und Gegenwert.“ Die HzV sei aber „kein Sparmodell“. Eine wesentliche Grundlage des Erfolgs der HzV sei, „dass sie zu mehr Berufszufriedenheit für den Hausarzt führt und ihm bessere Perspektiven bietet“, freut sich Dietsche. Das Einkommen ist planbarer und mit 85 Euro pro Patient um 40 % höher als in der Regelversorgung. Die Hausärzte erfahren Wertschätzung, Berufsbestätigung sowie eine finanzielle Aufwertung. Und auch die Patiententreue ist in der HzV signifikant erhöht mit 96 gegenüber 88 %.

Baumgärtner sieht das größte Hindernis im komplizierten Bereinigungsverfahren, das bisher lediglich mit der KV Baden-Württemberg funktioniere. Trotzdem seien bessere Rahmenbedingungen dafür erforderlich. In Kürze würden mit den Urologen und Rheumatologen weitere Facharztgruppen mit Selektivvertragsangeboten einbezogen. Die Verträge werden voraussichtlich im Sommer 2015 starten. „Übrigens sei dies alles eine Kärrnerarbeit und nichts für Frühstücksdirektoren“, wie Hermann der Konkurrenz aus den eigenen Reihen der Krankenversicherungen einen Seitenhieb erteilt.


Autor:
Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (17) Seite 30-32
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Zufriedene Gesichter angesichts guter Zahlen zur HzV in Baden-Württemberg (von li. n. re.:  Dr. Baumgärtner (MEDI), Dr. Hermann (AOK-BW), Prof. Gerlach, Prof. Szecsenyi, Dr. Dietsche (Hausärzteverband BW) Zufriedene Gesichter angesichts guter Zahlen zur HzV in Baden-Württemberg (von li. n. re.: Dr. Baumgärtner (MEDI), Dr. Hermann (AOK-BW), Prof. Gerlach, Prof. Szecsenyi, Dr. Dietsche (Hausärzteverband BW)
AOK-Ausgaben: „Die HzV lebt … und lässt den Hausarzt leben.“ AOK-Ausgaben: „Die HzV lebt … und lässt den Hausarzt leben.“