Honorarverhandlungen Alle Jahre wieder, Daumen hoch oder nieder?

Kolumnen Autor: T. G. Schätzler

Das PROGNOS-Desaster gab es 2012: Ein „Gutachten“ im Auftrag des Spitzenverbands Bund (SpiBu) sollte eine 7-%-Minusforderung bei Vertragsarztpraxen untermauern. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte wider besseres Wissen das Bedrohungsszenario nicht erkannt und errechnete naiv eine Plus-10-%-Forderung. Der Schiedsspruch des Gesundheitsökonomen Prof. Wasem ergab schließlich ein Honorarplus von 0,9 %.

Auch in diesem Jahr hat es der SpiBu wieder mit einem perfiden Gutachten-Trick versucht: Vertragsärzte müssten nur auf Kosten ihrer Patienten rationalisieren, Leistungen verweigern und Kosten drücken, um zu betriebswirtschaftlich erfolgreichen Praxen zu mutieren. „Schwupps“, schon wären zwei Milliarden eingespart. Der SpiBu hatte weitere vergiftete Pfeile über irreführende Umsatz- und Gewinnzahlen außerhalb des GKV-Leistungsspektrums im Köcher, die hausärztliche Versorgerpraxen auf dem Land, in sozialen Brennpunkten und Randgebieten gar nicht erbringen können.

Nicht ein Sterbenswörtchen haben KVen, Ärzte-Funktionäre und -Verbände vor den Honorarverhandlungen von sich gegeben. Nur Einzelpersonen haben die illusorische 5-Milliarden-Forderung der KBV kritisiert oder die SpiBu-Demagogie enttarnt. Dies hinderte die Verbände aber nicht daran, nach dem Abschluss über insgesamt 800 bis 850 Millionen Euro GKV-Mehrumsatz umso lautstärker zu lamentieren. Eine Ausnahme bildete der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV), der durch seine Hausarztzentrierten Versorgungsverträge (HzV) in der KBV-Honorardiskussion ohnehin außen vor ist.

Es genügt nicht, nur Däumchen zu drehen, die KBV alles alleine machen zu lassen, um im Stil der Gladiatorenkämpfe den Daumen zu heben oder zu senken. Jeder bekommt die GKV-Honorarabrechnung, die er verdient. Eine alljährliche Honorarrunde muss man taktisch vorbereiten, den Vertragspartner beobachten, reagieren, sich geschickt beraten lassen, aber auch vorausschauend agieren, eigene Ideen und Konzepte entwickeln bzw. sich mit Gleichgesinnten, von ähnlichen Interessen geleiteten, zusammenschließen. Nach dem Honorardesaster ist immer auch vor dem Honorardesaster.

Die unrühmlichste Rolle spielt der Marburger Bund (mb) in der ganzen Debatte: Er negiert seit Jahrzehnten, dass es überhaupt so etwas wie freiberuflich tätige, niedergelassene Vertragsärzte gibt, weil er ausschließlich die Interessen seiner angestellten und beamteten Ärzte vertritt. Er blockiert Honorargerechtigkeit in Praxis und Klinik. Viele mb-Funktionäre besetzen die Schaltstellen bei Landes-ÄK und Bundesärztekammer. Funktionsträger sind in KVen und KBV vertreten. Doch bei besseren Arbeitsbedingungen in der Freien Praxis würden dem mb ja die Mitglieder in Scharen davon laufen.


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin
44135 Dortmund

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 3
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.