Gesundheitsreport 2013 Alles bestens, oder doch nicht?

Gesundheitspolitik , Kolumnen Autor: R. Schmid

Wer in diesen Tagen aufmerksam die medialen Berichte über unser Gesundheitssystem verfolgt, kommt aus dem Staunen kaum heraus. Nach einer repräsentativen Erhebung des Instituts für Demoskopie in Allensbach für den MLP-Gesundheitsreport 2012/13 waren im Jahr 2012 so viele Menschen mit unserem Gesundheitssystem zufrieden wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Sage und schreibe 82 % halten das System für sehr gut, nur 16 % für weniger oder gar nicht gut. Getoppt wird dieses Ergebnis noch von den Ärzten, von denen 93 % die Gesundheitsversorgung als sehr gut einstufen. Ob das auch 93 % der Hausärzte so sehen, darf zwar eher bezweifelt werden. Trotzdem meinen nur noch vier von zehn Ärzten, dass sich die Qualität der Versorgung in den letzten drei Jahren verschlechtert hat. Und auch längerfristig sind immerhin 38 % der Ärzte überzeugt davon, dass es der Politik gelingen wird, eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen. 2008 waren gerade einmal 15 % der Mediziner davon überzeugt.

Verständlicher Jubel?

Voll im Trend liegt da auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Noch nie, so posaunte es aus ihm bei diversen Neujahrsempfängen heraus, habe es in seinem Bundesland eine so gute medizinische Versorgung gegeben, die zudem noch mit der bislang höchsten Lebenserwartung verbunden sei.

Auf den ersten Blick sind diese Jubelbekundungen sogar verständlich. Denn die Patienten freuen sich, 2013 keine Zusatzbeiträge mehr leisten zu müssen und endlich von der ungeliebten Praxisgebühr befreit zu sein. Die meisten Ärzte weinen der Praxisgebühr auch keine Träne nach und bewerten ihre wirtschaftliche Situation im Jahr 2012 nach den Daten des MLP-Gesundheitsreports zu 86 % (alle Ärzte), zu 76 % (niedergelassene Ärzte) und zu 82 % (Hausärzte) als gut oder sehr gut. 2009 waren dies bei den Niedergelassenen lediglich 61 %, bei den Hausärzten 58 %.

Probleme werden beiseitegeschoben

Also alles bestens, könnte man meinen. Doch ist das wirklich so? Werden nicht viele Probleme einfach unter den Teppich gekehrt? Zweifelsohne – und auch das belegt der jüngste MLP-Gesundheitsreport:

  • 74 % der niedergelassenen Ärzte sehen die Therapiefreiheit in Frage gestellt, ein wahrlich erschreckender Wert.
  • 38 % der Ärzte haben aus Kostengründen Behandlungen gelegentlich oder sogar häufig verschoben.
  • 38 % der Ärzte bezweifeln, dass die GKV-Leistungen für eine gute Gesundheitsversorgung ausreichen.
  • 72 % der Ärzte rechnen damit, dass der Ärztemangel in Zukunft ein noch größeres Problem werden wird.
  • 57 % der Ärzte bemängeln, dass sie für den einzelnen Patienten zu wenig Zeit haben. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 1995 nahezu verdoppelt.

Ganz besonders schlecht schneidet der Pflegebereich ab. Fast drei Viertel der Bevölkerung sind überzeugt davon, dass die Politik zur Verbesserung der Pflegesituation mehr tun müsste. Daran glauben aber zumindest die Ärzte nicht mehr. Und die Patienten offenbar auch nicht. Nicht anders ist es zu erklären, dass 69 % der Befragten eine private Pflegevorsorge für unverzichtbar halten.

Kein Anlass zur Selbstzufriedenheit

Also doch nicht alles eitel Sonnenschein? Der MLP-Vorstandsvorsitzende Dr. Uwe Schroeder-Wildberg liegt sicher nicht falsch, wenn er die Gefahr sieht, dass die derzeit konjunkturbedingt gute Kassenlage in den Sozialsystemen wohl eine falsche Sicherheit erzeugt. Hauptsache die Kasse stimmt, da liegen viele Patienten und Ärzte ganz auf einer Linie. Doch die Zeiten werden kommen, in denen alle auch selbst wieder stärker zur Kasse gebeten werden. Bis dahin sollte die Zeit genutzt werden, die oben dargelegten und viele weitere Probleme strukturell anzupacken und mit den derzeit gut gefüllten Finanztöpfen auch zu lösen. Wer sich jetzt selbstzufrieden zurücklehnt, handelt in jeder Weise fahrlässig,

meint Ihr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (4) Seite 71
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.