KBV-Ärztestatistik Bei Hausärzten geht es weiter abwärts

Gesundheitspolitik Autor: Hans Glatzl

© zphoto83 - Fotolia

Die Ärztepopulation in Deutschland steigt. Exakt 365 247 berufstätige Ärzte vermeldet die Bundesärztekammer (BÄK) zum Stichtag 31.12.2014. Das sind 2,4 % mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Kassenärzte wächst, aber der wirtschaftliche Output wird aufgrund veränderter Work-Life-Balance bei Jungmedizinern geringer. Besonders alarmierend: Alle Bemühungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) um mehr Hausärzte scheinen trotz größter Anstrengung zu verpuffen.

Es gilt zwar nach wie vor der Grundsatz „ambulant vor stationär“, jedoch hat sich die Anzahl der ambulanten Behandlungsangebote in den letzten Jahren erhöht und die Prüfverpflichtungen für Vertragsärzte haben sich damit deutlich verschärft.

Das leichte Plus bei der Gesamtzahl der Ärzte sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Anstieg bei weitem nicht ausreicht, um die derzeit immer weiteren klaffenden Lücken in der medizinischen Versorgung zu füllen, kommentierte der BÄK-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery die aktuellen Zahlen. Er widerspricht damit auch nachdrücklich der vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) vorgelegten Statistik, wonach es keinen Ärztemangel in Deutschland gebe. Doch wer einfach nur die steigenden Arztzahlen im Blick habe, der unterliege einer Falschinterpretation und blende die Realität in der medizinischen Versorgung aus, so Montgomery (Abb. 1).

Denn es gibt gesellschaftliche Trends, die die eigentlich positive Entwicklung der Arztzahlen konterkarieren. So wollen immer mehr junge Mediziner in Teilzeit und als Angestellte arbeiten. Für eine Niederlassung entscheiden sich folgerichtig immer weniger. So nahmen laut der aktuellen Statistik insgesamt 164 947 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Dies waren zwar 2 296 mehr als im Jahr zuvor (+1,4 %), angesichts des zunehmenden Drangs zur Teilzeittätigkeit liegt das tatsächliche Plus aber nur bei 0,4 %. Die Anzahl der in Teilzeit tätigen Ärzte und Psychotherapeuten stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3 774 auf 22 336 (13,5 %).

Mehr angestellte Ärzte …

Zugenommen hat der KBV-Statistik zufolge auch die Anzahl der angestellten Ärzte und Psychotherapeuten in Praxen und Einrichtungen. Sie stieg im vergangenen Jahr von 22 494 auf 24 560 (+9,2 %). Damit arbeiten inzwischen etwa 15 % der Ärzte und Psychotherapeuten im ambulanten Bereich als Angestellte (Abb. 2). Die große Mehrheit ist nach wie vor selbstständig in eigener Praxis tätig, aber es werden immer weniger, die sich diesem Stress stellen wollen. Hingegen setzt sich laut KBV der Trend zu kooperativen Strukturen wie Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) fort (Abb. 3).

… aber weniger Hausärzte

Weiter gesunken ist hingegen die Zahl der Hausärzte (-0,5 %). Und das trotz einer massiven Werbekampagne des Hausärzteverbandes und einer verstärkten Förderung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Aber diese Maßnahmen werden noch mehr Zeit benötigen, um Wirkung zu zeigen. Gegen dieses Ausbluten im hausärztlichen Bereich stemmen sich derzeit nur die KV-Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein, Niedersachsen, Hamburg und Brandenburg. Dort stagnieren die Hausarztzahlen oder weisen zumindest ein leichtes Plus auf (Abb. 4). Für die Kinder- und Jugendärzte weist die Statistik ein Minus von 0,3 % aus. Auch einige fachärztliche Fächer wie Chirurgie (-1,1 %) und Nervenheilkunde (- 0,2 %) verzeichnen einen Rückgang. Erhöht hat sich im Berichtsjahr die Zahl der Psychotherapeuten. Sie stieg infolge der Bedarfsplanungsreform bis Ende 2014 um 756 auf 22 957. Der bundesweite Anstieg von 3,4 % ist dabei vor allem auf einen Zuwachs in den neuen Bundesländern zurückzuführen – so in Mecklenburg-Vorpommern mit 32,1 %, Sachsen-Anhalt mit 18,7 % oder Brandenburg mit 11,8 %.

Die Ärzte sind immer älter …

Und auch die Alterung „im Bestand“ parallel zur Gesamtgesellschaft lässt sich nicht aufhalten. Die Statistik zeigt, dass das Durchschnittsalter der Ärzte und Psychotherapeuten weiter steigt. Lag es im Jahr 2009 noch bei 51,9 Jahren, betrug es Ende vorigen Jahres 53,9 Jahre. Besonders brisant ist hier die Entwicklung erneut bei den Ärzten, die in der Primärversorgung tätig sind. So beträgt das Durchschnittsalter der praktischen Ärzte 59,3 Jahre, gefolgt von den ärztlichen Psychotherapeuten mit 56,8 Jahren und den Allgemeinärzten mit 54,6 Jahren. Orthopäden bilden mit einem Durchschnittsalter von 51,6 Jahren die Youngsters im Vorrentner-Club. Der Anteil der unter 35-jährigen Ärzte lag 2014 nur noch bei 18,3 %, im Jahr 1993 waren es noch 26,6 % gewesen.

… und der Anteil der Frauen steigt weiter

Der Frauenanteil unter den Ärzten und Psychotherapeuten nimmt kontinuierlich zu. Er lag Ende 2014 bei 43,2 %. In jüngeren Altersgruppen sind bereits bis zu zwei Drittel weiblich. Besonders hoch ist der Anteil der Frauen unter den Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten (77,6 %) und Psychologischen Psychotherapeuten (70,4 %).

Angesichts dieses Zusammentreffens von zunehmender Feminisierung und Überalterung ist der beschleunigte Rückgang der Hausarztzahlen einerseits nachvollziehbar, aber auch umso alarmierender. Erstmals seit 2010 haben erneut mehr Hausärzte das Stethoskop für immer abgegeben. Betrug die Lücke damals 228 Kollegen, ist sie allen gegenteiligen Bemühungen zum Trotz im Jahr 2014 auf 275 Ausscheider angewachsen (Abb. 5). In Anbetracht dieser Fakten und der drohenden Folgen für die flächendeckende Versorgung könnte der Spott den Krankenkassenvertretern schon bald im Halse stecken bleiben.

Leichter Hoffnungsschimmer beim Nachwuchs

Abwehren lässt sich der Ärztemangel nur, wenn es gelingt, mehr Ärztinnen und Ärzte auszubilden, meint die BÄK. Derzeit gibt es an den Universitäten knapp 10 000 Medizinstudienplätze. Mindestens 10 % mehr wären notwendig, forderte Montgomery. Besonders dringend gesucht werden Hausärzte – laut KBV-Statistik wird sich ihre Zahl bis 2020 um etwa 7 000 verringern. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die Zahl der Zulassungen in den Fächern Allgemeinmedizin sowie Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt) gegenüber dem Vorjahr von 1 112 auf 1 218 anstieg. Insgesamt wurden 11 726 Anerkennungen von Facharztbezeichnungen im Jahr 2014 ausgesprochen. Damit lag ihre Zahl über den 11 149 Anerkennungen des Jahres 2012.

Hans Glatzl

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (9) Seite 32-38
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Abb. 1: Schein statt Sein: Die Arztzahlen steigen, aber was bedeutet das wirklich? Abb. 1: Schein statt Sein: Die Arztzahlen steigen, aber was bedeutet das wirklich?
Abb. 2: Ab 2006 überwiegen bei den Veränderungen zum Vorjahr die angestellten Ärzte Abb. 2: Ab 2006 überwiegen bei den Veränderungen zum Vorjahr die angestellten Ärzte
Abb. 3: Die Zahl der Ärzte in kooperativen Strukturen nimmt zu, die Zahl derer in Einzelpraxen nimmt ab Abb. 3: Die Zahl der Ärzte in kooperativen Strukturen nimmt zu, die Zahl derer in Einzelpraxen nimmt ab
Abb. 4: Schleswig-Holstein verliert am meisten Hausärzte, Brandenburg gewinnt hinzu Abb. 4: Schleswig-Holstein verliert am meisten Hausärzte, Brandenburg gewinnt hinzu
Abb. 5: Der Rückgang der Hausarztzahlen hat sich 2014 erstmals wieder beschleunigt Abb. 5: Der Rückgang der Hausarztzahlen hat sich 2014 erstmals wieder beschleunigt