Behandlungs-Fehler Blinder Fleck am Röntgenbild?
Die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle in Deutschland zwischen den Jahren 2004 und 2013 ist um 157 Millionen auf fast 700 Millionen angestiegen. Die Zahl der stationären Fälle erhöhte sich zwischen 2004 und 2012 um 1,8 Millionen.
Enormer Arbeitsdruck lastet auf den Ärzten
Trotz dieser enormen Arbeitsbelastung sind die festgestellten Fehler im Vergleich zum Vorjahr fast unverändert geblieben. So haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im Jahr 2014 bundesweit insgesamt 7 751 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. Damit ist die Zahl der Sachentscheidungen im Vergleich zum Vorjahr geringfügig gesunken. Es lag in 2 252 Fällen ein Behandlungsfehler vor. Davon wurde in 1 854 Fällen ein Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Mit knapp 73 % der Prüfungsanträge gegenüber 27 % im ambulanten Bereich stehen die Kliniken hier im Fokus.
Hausärzte mit Diagnoseschwächen?
Auffallend ist, dass viele Patienten sowohl bei niedergelassenen Ärzten als auch im Krankenhaus mögliche Fehler schon bei der Diagnose unterstellen und Anträge an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen gerichtet haben. Im niedergelassenen Bereich sind nach den Unfallchirurgen und Orthopäden mit 26,9 % die hausärztlich tätigen Mediziner mit 12,6 % am häufigsten beteiligt. Unberücksichtigt bleibt hier allerdings die Gesamtzahl der Behandlungsfälle im Verhältnis. Erkennbar ist, dass im niedergelassenen Bereich die mit Abstand meisten Fehler (20,9 %) aus der Diagnostik mittels bildgebender Verfahren herrühren. Inhaltlich die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterarmfrakturen. In 398 Fällen lag ein Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte.
Plädoyer für eine offene Fehlerkultur
„Wir tun alles dafür, dass es nicht zu einem Fehler in Diagnostik und Therapie kommt. Wir sorgen für einen transparenten Umgang mit Behandlungsfehlern. Und wir sind uns unserer Verantwortung darüber bewusst, dass den betroffenen Patienten schnell und professionell geholfen werden muss – medizinisch, seelisch und mitunter auch rechtlich,“ beteuerte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, bei der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2014 in Berlin.
Crusius plädierte für eine offene Fehlerkultur. Wenig hilfreich sei es, wenn Ärzte, denen ein Fehler unterlaufen ist, als Pfuscher diskreditiert werden. „Pfusch beinhaltet immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des eigenen Handelns. Das kann man doch nicht allen Ernstes Ärzten vorwerfen, denen ein Fehler passiert ist.“
Fehler melden und daraus lernen
Die Ärzteschaft engagiert sich seit Jahren für eine verstärkte Fehlerprävention. Ärzte können zudem sogenannte Beinahefehler anonym über das System CIRSmedical melden (www.cirsmedical.de). Wichtig für die Fehlerprophylaxe seien aber auch die vielfältigen Maßnahmen des Qualitätsmanagements, wie beispielsweise ärztliche Peer-Reviews.
Hans Glatzl
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (12) Seite 32-34
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.