Delegation Denken Patienten weiter als Hausärzte?

Kolumnen Autor: Raimund Schmid

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Bürgerinnen und Bürger haben mitunter ein sehr gutes Gespür dafür, was im Leben wichtig ist. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der AOK-Nordwest.

Hausärzte sind wichtig

Beleg Nummer 1: Der Zugang zu Hausärzten ist für die Bürger das Allerwichtigste. Für 97 % steht die Verfügbarkeit eines Hausarztes ganz oben an, sogar noch vor einer guten Internetversorgung (92 %). In Zeiten, in denen der Hype um immer bessere Online-Verfügbarkeiten immer neue Blüten treibt, ist das schon eine Sensation.

Beleg Nummer 2: Der Hausarzt als direkter Ansprechpartner ist der Bevölkerung gleich um 15 Prozentpunkte wichtiger als die Verfügbarkeit eines Facharztes. Hier zeigt sich erneut, dass die Hausärzte den weit überwiegenden Teil aller medizinischen Probleme selbst lösen können, wie DEGAM und Hausärzteverband immer wieder zu Recht verkünden.

Beleg Nummer 3: Mehr als jeder fünfte Befragte glaubt allerdings auch, dass sich das Angebot an Haus- und auch Kinderärzten in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Insgesamt sind nur noch 83 % mit dem Angebot an Hausärzten zufrieden.

Beleg Nummer 4, und hier unterscheiden sich die Bürger deutlich von Positionen des Hausärzteverbands oder des Deutschen Ärztetags: 9 von 10 Bürgern können sich gut oder sehr gut vorstellen, dass Ärzte weit mehr Leistungen als bislang an qualifizierte nicht-ärztliche Fachkräfte übertragen könnten.

Delegation kann Entlastung bringen

Neben der Delegation z. B. an die Versorgungsassistentin in der Arztpraxis (VERAH®) müssten dafür aber weit mehr "neue Gesundheitsberufe" anerkannt und etabliert werden. Davon will aber weder der Hausärzteverband (Scheinlösung) noch der Deutsche Ärztetag (Gefahr der Spaltung von Zuständigkeiten) etwas wissen. Dabei ist diese strikte Ablehnung bereits längst von der Wirklichkeit eingeholt worden.

Bewährt haben sich zur Entlastung der Hausärzte z. B. Präventionsberaterinnen (MFA mit einer speziellen Fortbildung), die gerade in Flächenländern – angebunden an Arztpraxen – sehr gute Dienste leisten und eine enge Patientenbindung auch an die Hausarztpraxis sicherstellen. Auch die Arbeit der "Physician Assisants" wird zumeist weithin – allerdings bislang zumeist in Kliniken – in höchsten Tönen gelobt und wäre auch im niedergelassenen Bereich eine sinnvolle Entlastung für den Hausarzt. Nützlich könnte auch der weitaus stärkere Ausbau von sogenannten Primärversorgungszentren sein, die jetzt z. B. in Baden-Württemberg mit dem Ziel aufgebaut werden, mehr Aufgaben des Hausarztes an ein Team von qualifizierten Pflegekräften, Casemanagern und Versorgungsassistentinnen in einem Zentrum zu delegieren.

All das ist jedenfalls weit besser als die weitere Aushöhlung der medizinischen Grundversorgung wegen mangelnder Haus- und Kinderärzte. Bleibt nur zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis nun auch rasch auf die berufspolitischen Entscheider überträgt. Sie sollten eher der feinen Spürnase ihrer Patienten folgen als weiter ideologisch verhärtete Positionen verfolgen, um ein Terrain zu verteidigen, das längst nicht mehr existiert.


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Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2019; 41 (16) Seite 32
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.