Herausforderung Der Hausarzt als Sozialarbeiter

Kolumnen Autor: Raimund Schmid

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Wer kennt diese Herausforderungen nicht, mit denen Allgemeinärzte immer häufiger konfrontiert werden? Patienten, die ihren Arzt auch mit ihren sozialen Problemen konfrontieren. Dazu zählen finanzielle Schwierigkeiten, Streit in der Familie, Sorgen um den Arbeitsplatz oder Mobbing. Aus solchen Problemen oder Ängsten können als Folge der bio-psycho-sozialen Leidensdimension komplexe Behandlungsprobleme entstehen.

Häufiges Anliegen von Patienten

In Italien hat man herausgefunden, dass zwei Drittel von 319 befragten Hausarzt-Patienten soziale Probleme oder belastende Ereignisse offen zur Sprache bringen. Und auch in Holland belegen Daten eines landesweiten Survey, dass Patienten mit psychosozialen Problemen doppelt so oft ihren Hausarzt aufsuchen wie Patienten mit somatischen Diagnosen. Aber jetzt liegen endlich auch Daten aus einer Studie aus 45 Hausarztpraxen in Deutschland vor, die vom Institut für Hausarztmedizin am Universitätsklinikum Bonn ausgewertet worden sind. Danach wird auch hierzulande etwa ein Drittel der Hausärzte häufig mit Patientenanliegen wie beruflichen Nöten, Finanzproblemen, Ehestreitigkeiten und weiteren sozialen Schwierigkeiten konfrontiert.Und in diesen Praxen spielen bei einem Siebtel aller Patienten (14,4 %) soziale und primär nicht krankheitsbezogene Themen eine zentrale Rolle. Bei fast jedem dritten dieser Patienten (29,6 %) muss der Arzt immerhin mehr als die Hälfte seines Zeitbudgets diesen sozialen Fragestellungen widmen. Am häufigsten werden von den Patienten Probleme am Arbeitsplatz und in der Ausbildung (25,6 %) angesprochen. Danach folgen die Sorgen in der Familie oder mit dem Partner (22 %) und schließlich Probleme im Zusammenhang mit einer Krankheit oder dem Tod des Partners (11 %).

Auswirkungen auf die Gesundheit

Die Brisanz dieser Probleme, die häufig gar nicht medizinisch gelöst werden können, unterstreicht auch die DEGAM in ihren Zukunftspositionen zur Allgemeinmedizin. Dort heißt es, dass „Armut, soziale Isolation und insbesondere auch erlebte soziale Ungleichheit auf die Entstehung sowie den Verlauf von Krankheit erhebliche Auswirkungen haben“. Die sozialen Realitäten spielen also in den Hausarztpraxen eine solch große Rolle, dass der Hausarzt diese in seine Behandlungsstrategie mit einbeziehen muss. Auch wenn Hausärzte ja keine Sozialarbeiter sein können und das auch nicht wollen, können sie doch eine ganze Menge tun. Zum Beispiel auf einschlägige Beratungsstellen oder erfahrene und regional anerkannte Sozialdienste und Sozialarbeiter hinweisen. Oder auf Selbsthilfevereinigungen, die mit ihrem Erfahrungswissen gerade auch sozial benachteiligte Patienten wieder aufrichten können. Am besten wäre natürlich eine Sozialpsychiatrie-Pauschale, wie es sie für Kinder und Jugendliche schon längst gibt und die sich in jeder Weise für alle Beteiligten ausgezahlt hat. Darüber können zum Beispiel auch Sozialarbeiter finanziert werden. Warum sollen solche Optionen künftig erwachsenen Patienten in einer Hausarztpraxis weiter vorenthalten werden? Zumal ja eines feststeht: Die sozialen Probleme vieler Patienten werden in Zukunft nicht zuletzt auch wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms sicher nicht kleiner werden, fürchtet

Ihr

Raimund Schmid

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (18) Seite 31
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.