Hausärztemangel Es zieht wieder mehr aufs Land

Gesundheitspolitik Autor: I. Dürr

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Die Zahl der hausärztlichen Existenzgründungen in ländlichen Regionen steigt wieder an. Dennoch bleibt die Versorgungssituation auf dem Land angespannt. Das geht aus der Existenzgründungsanalyse für Hausärzte hervor, die die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (ApoBank) gemeinsam mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) durchgeführt hat. Auch der Anteil der Hausärzte, die sich in einer Einzelpraxis niederlassen, wächst entgegen vieler anderslautender Prognosen kontinuierlich.

Als das Versorgungsstrukturgesetz im Jahr 2012 in Kraft trat, war es nicht unumstritten. Eine der Neuregelungen darin scheint nun aber bereits eine positive Wirkung zu entfalten: der Wegfall der Residenzpflicht für niedergelassene Ärzte. Praxisinhaber müssen seitdem nicht mehr unbedingt am Ort des Arztsitzes auch noch ihren Wohnsitz haben.

Aufhebung der Residenzpflicht gibt Aufwind

In dieser Erleichterung sieht die aktuelle Existenzgründungsanalyse von ApoBank und ZI auf der Basis von 610 hausärztlichen Existenzgründungsfinanzierungen in 2012 und 2013 einen Grund dafür, dass wieder mehr Hausärzte bereit zu sein scheinen, sich auf dem Land niederzulassen. Während sich in den Jahren 2010 und 2011 gerade einmal 6 % der Allgemeinärzte in Gemeinden mit weniger als 5 000 Einwohnern selbstständig machten, verdoppelte sich dieser Anteil in den Folgejahren 2012 und 2013 mit 11,5 % nahezu.

Die Aufhebung der Residenzpflicht sei dabei ein Aspekt, ebenso wichtig sei aber auch die Tatsache, dass Landpraxen in der Regel wirtschaftlich gut dastünden und somit eine echte Option für Existenzgründer seien, erklärt Georg Heßbrügge, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und -politik bei der ApoBank, diese Ergebnisse.

Heßbrügge gießt aber auch gleich einen großen Schluck Wasser in den Wein. Denn ungeachtet der positiven Entwicklung bleibe die Versorgungssituation in ländlichen Regionen problematisch. Schließlich lassen sich nach wie vor insgesamt zu wenige Hausärzte nieder. So stellen Allgemeinärzte zwar 44,2 % aller Vertragsärzte, ihr Anteil unter den Existenzgründern liegt aber nur bei 26,6 %.

Die meisten zieht es in die Stadt

Die höchste Attraktivität auf den hausärztlichen Nachwuchs üben allerdings immer noch die Großstädte aus. 39 % der Niederlassungen entfielen auf Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern. In Kommunen mit 20 000 bis 100 000 Einwohnern waren es 26,6 % und in Kleinstädten immerhin noch 23 %. In Letzteren steigt damit die Diskrepanz zur Bevölkerungsverteilung, denn in den Kleinstädten leben 33 % der Bundesbürger, in ländlichen Gebieten hingegen nur 7,3 %.

Niederlassung erfolgt zunehmend später

Der Großteil der Hausärzte macht sich bis zum 41. Lebensjahr selbstständig (42 %). Etwas mehr als jeder vierte entscheidet sich zwischen 41 und 45 Jahren für den Schritt in die Selbstständigkeit (27,7 %). Etwa jeder dritte Existenzgründer ist älter als 45 Jahre (30,3 %). Das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre. Der Frauenanteil unter den Existenzgründern beläuft sich übrigens auf 51,2 % und ist damit in den letzten Jahren nicht weiter angestiegen.

Kooperation oder Einzelpraxis?

Eine klassische Kooperation gehen 42,1 % der hausärztlichen Existenzgründer ein. Unter den Vertragsärzten insgesamt liegt dieser Anteil bei 40,5 %. Es sei davon auszugehen, so Heßbrügge, dass damit der Sättigungsgrad erreicht sei. Am häufigsten entscheiden sich Hausärzte für eine Kooperation in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) (34,8 %). Praxisgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und sonstige Kooperationen spielen mit 7,3 % eine eher untergeordnete Rolle.

Entgegen vieler Vorhersagen scheint die Einzelpraxis wieder an Beliebtheit zu gewinnen. Hierfür entscheidet sich mittlerweile wieder deutlich mehr als jeder zweite Existenzgründer (57,9 %). Als Abkehr vom Trend zur Kooperation dürfe dies aber nicht unbedingt gewertet werden, denn viele Hausärzte in Einzelpraxis planten, mittelfristig einen Kollegen anzustellen. Auch hier werde letztlich also doch eine Art der Kooperation angestrebt.

Einzelpraxis ist am günstigsten

Ein möglicher Grund, der auch für die Einzelpraxis spricht, ist der Analyse zufolge, dass die Neugründung einer Einzelpraxis mit ca. 92 000 Euro die am wenigsten investitionsintensive Form der Existenzgründung darstellt. Tatsächlich beträgt das durchschnittliche Investitionsvolumen ansonsten 109 000 Euro. Die höchsten Investitionen fallen mit 115 000 Euro für die Übernahme einer Einzelpraxis an. 77 000 Euro entfallen dabei auf den Übernahmepreis und werden an den Praxisabgeber gezahlt.


Nach Praxislage betrachtet, sind Existenzgründungen in mittelgroßen Städten besonders investitionsintensiv (114 000 Euro). Es folgen großstädtische Lagen (108 000 Euro), ländliche Gebiete (107 000 Euro) und kleinstädtische Lagen (106 000 Euro).


Wer als zusätzlicher Partner einer bestehenden BAG beitritt, muss 112 000 Euro einkalkulieren. Hausärzte, die die Anteile eines ausscheidenden Partners an einer BAG übernehmen, investieren durchschnittlich 104 000 Euro. Wer zusammen mit einem bereits niedergelassenen Arzt eine BAG gründet, wendet 103 000 Euro auf, wer eine BAG übernimmt 99 000 Euro.


Männer investieren deutlich offensiver als Frauen. Das durchschnittliche Volumen liegt bei 123 000 Euro. Das sind 29,5 % mehr als Hausärztinnen einplanen. Auch das Alter beeinflusst das Investitionsverhalten. So wenden Existenzgründer, die 40 Jahre und jünger sind, im Schnitt 118 000 Euro auf. Hausärzte, die zwischen 41 und 45 Jahren alt sind, investieren 106 000 Euro, die Altersgruppe 45plus 98 000 Euro.


Autor:
Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (20) Seite 36-38
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

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