Ärztenetzwerke Gehört den Netzwerkern die Zukunft?

Gesundheitspolitik Autor: C. Borchard-Tuch

Politiker verlangen von Hausärzten mehr Leistungsqualität. Eine Möglichkeit, dieser Forderung nachzukommen, sehen viele Ärzte darin, sich zu Netzwerken zusammenzuschließen und sich in Qualitätszirkeln fortlaufend weiterzubilden. So können sie höchste Therapiequalität bieten und gleichzeitig kostengünstig behandeln.

Das deutsche Gesundheitswesen muss sich mit drei wesentlichen Problemen auseinandersetzen. Erstens verlangen Kranke zu Recht die bestmögliche Behandlung. Zweitens darf man dabei die ständig steigenden Kosten nicht aus dem Blick verlieren. Und drittens wollen die Leistungserbringer eine angemessene Vergütung für ihre Arbeit erhalten.

Einen möglichen Lösungsweg, den vielfältigen Interessen gerecht zu werden, bietet die Netzwerkmedizin. Über alle Bundesländer verteilt, gibt es derzeit etwa 700 Ärztenetze. In der ambulanten Versorgung haben sie in den letzten Jahren eine wachsende Bedeutung gewonnen. Denn Ärztenetze können die medizinische Behandlungsqualität steigern, das Patientenmanagement verbessern – und oft arbeiten sie auch wirtschaftlicher.

Verbesserte Kommunikation

Oberstes Ziel der Netzwerker ist es, die nicht immer ausreichende Kommunikation und Zusammenarbeit sowohl zwischen Allgemeinmedizinern und Spezialisten als auch zwischen ambulanter und stationärer Medizin zu optimieren. Dazu gehört auch, durch den gegenseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen fachlich auf dem neuesten Stand zu bleiben. Die Ärzte treffen sich regelmäßig in Qualitätszirkeln, um ihre Arbeit zu reflektieren, schwierige Fälle zu diskutieren und sich gemeinsam zu neuen Diagnosemethoden und Therapieverfahren weiterzubilden. Dabei erstellen sie eigene Richtlinien für die bestmögliche Behandlung ihrer Patienten. Die Patienten profitieren somit vom Wissen und den Erfahrungen einer ganzen Gruppe von Ärzten.

Zwischen den Ärztenetzwerken gibt es große Unterschiede. Einige sind sehr groß, vereinen nahezu alle Ärzte einer Region unter sich und haben direkte Verträge mit Krankenkassen abgeschlossen. Andere befinden sich im Zustand von losen Verbindungen oder Vereinen (eine ausführlichere Beschreibung der verschiedenen Formen von Ärztenetzen enthält eine Broschüre, die man beim NAV-VirchowBund bestellen kann; www.nav-virchowbund.de).

Virtuelle Ärztenetzwerke

Die Größe der Gruppe von teilnehmenden Ärzten muss aber nicht auf einen Standort oder eine Region beschränkt sein. Denn es gibt inzwischen auch eine ganze Reihe virtueller Ärztenetzwerke.So bietet das kostenpflichtige Expertennetzwerk Dooox (www.dooox.de) Ärzten die Möglichkeit, sich in Chats und Foren auszutauschen. Zudem sind Informationen über wissenschaftliche Recherche-Datenbanken, Veröffentlichungen und Presseberichte abrufbar. Darüber hinaus gibt es geschlossene Mitgliederportale, etwa für Verbände. Die registrierten Mitglieder können auch auf betriebswirtschaftliche und juristische Informationen, Downloads, Onlineschulungen und -kongresse zugreifen und das eigene Netzwerk durch den Kontakt mit Kollegen erweitern. Für Medizinstudenten ist der Zugang kostenlos.

Der Merel-Club (www.merel-club.com) richtet sich an Mediziner, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten. Hier kann man sich auch über Ländergrenzen hinweg miteinander austauschen – es wird deutsch, englisch, französisch und spanisch gesprochen. Die Registrierung ist kostenfrei. In einem Podium kann man Fälle und Publikationen auf überregionaler und internationaler Ebene erörtern.

Beim Expertennetzwerk Esanum (www.esanum.de) machen bereits über 35 000 Mediziner mit. Auf der ausschließlich für Ärzte und kostenfrei zugänglichen Plattform diskutiert man über Fälle und Beobachtungen aus der Praxis und neue Erkenntnisse über Medikamente, Geräte und Therapien werden bekannt gegeben. Registrierte Ärzte können Beiträge verfassen, in denen sie Beobachtungen mitteilen oder um Rat fragen.

Erfahrungsaustausch leicht gemacht

Etwa 20 000 Ärzte nutzen die kosten- und werbefreie Kommunikationsplattform Coliquio (www.coliquio.de). Erklärtes Ziel von Coliquio ist es, die medizinische Qualität und Patientensicherheit durch gezielten und schnellen Austausch von Erfahrungen und Wissen zu verbessern. Unterteilt in medizinische Fachbereiche, können Fragen zu Diagnose und Therapie mit Kollegen diskutiert sowie neue Behandlungs- und Forschungserkenntnisse im Kollegenkreis ausgetauscht werden. Über ein anonymes Berichtssystem können darüber hinaus kritische Zwischenfälle erfasst und ausgewertet werden. Dies soll helfen, Schwachpunkte in Einrichtungen und Prozessen zu erkennen. ▪

Dr. med. Claudia Borchard-Tuch

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2010; 32 (n/a) Seite 68
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.