Freie Arztwahl Kommt es wieder zur Praxisgebühr reloaded?

Gesundheitspolitik , Kolumnen Autor: R. Schmid

Da waren sich (fast) alle einmal einig: Es ist schon ein Segen, dass die Praxisgebühr abgeschafft worden ist. Für die Patienten, weil sie nicht mehr beim Arzt eine Eintrittsgebühr zahlen müssen, für die Ärzte, die das Ganze abwickeln und ausbaden mussten, und für die Politik, die dafür immer wieder kräftig Prügel bezogen hatte.

Seit Anfang 2013 können nun also die Versicherten wieder Ärzte aufsuchen, wie sie es gerade mögen. Das blieb nicht ohne Folgen: Die Zahl der Behandlungsfälle steigt an. Die Arzt-Patienten-Kontaktrate ist europaweit einzigartig hoch. Fachärzte werden tendenziell wieder häufiger direkt aufgesucht, auch von multimorbiden Patienten, die eigentlich erst mal beim Facharzt gar nichts verloren haben. Die Wartezeiten bei den Fachärzten haben – natürlich nicht nur wegen des Wegfalls der Praxisgebühr – zum Teil groteske Züge angenommen. Und die Hausärzte haben ein Argument weniger, ihren Patienten die Hausarztverträge schmackhaft zu machen, weil sie nun nicht mehr den Wegfall der Praxisgebühr in die Waagschale werfen können.

War es also etwa ein Fehler, die Praxisgebühr ersatzlos zu streichen? Allein die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hatte Ende 2012 „vor einem völligen Verzicht auf jedwede Steuerungswirkung“ gewarnt. Eine Weiterentwicklung wäre für die DEGAM „die weitaus bessere Entscheidung“ gewesen.

Diese Steilvorlage hat nun der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) in seinem Jahresgutachten 2014 aufgegriffen. Viele Freunde wird er sich damit nicht machen, da er mit seinen Vorschlägen die freie Arztwahl – des Deutschen liebstes Kind – angreift. Und das gleich mit massiven Mitteln. Die freie Arztwahl soll es danach nur noch für alle hausärztlich tätigen Ärzte, die Augenärzte und Gynäkologen sowie für Minderjährige und für Notfälle geben. Für alle anderen – so empfiehlt der SVR – soll nach skandinavischem Muster eine gestaffelte Selbstbeteiligung in einer Spanne von 10 bis 50 Euro (oder alternativ als Festbetrag) dann gelten, wenn sie die nächste Versorgungsebene des Hausarztes ohne Überweisung in Anspruch nehmen. Eingezogen werden sollte die Gebühr aber diesmal direkt über die Krankenkassen oder als gestaffelte Zuzahlung bei Arzneimitteln.

Grundsätzlich kann sich auch Dr. Dieter Geis, Vorsitzender des Hausärzteverbands Bayern, mit der Idee anfreunden, die Patienten wieder stärker in die Verantwortung zu nehmen. Er plädiert jedoch für die Einführung eines eigenen Hausarzttarifs, der dann vergünstigt angeboten werden soll, wenn zunächst der Hausarzt aufgesucht wird.

Die Variante, die in Zukunft zum Zuge kommen könnte, müsste aber dreierlei erfüllen: Die neue Gebühr darf nicht mehr wie die Praxisgebühr auf dem Rücken der Hausärzte bzw. der MFA ausgetragen werden. Sie muss sozial verträglich ausgestaltet sein und darf nicht wieder zu einem neuen bürokratischen Monster werden. Dann könnte man die Richtigen erwischen, die den Hausarzt mit allen Mitteln zu umgehen versuchen. Es sollte aber das letzte Mittel der Wahl sein, um zu verhindern, dass das System vollends aus den Fugen gerät, indem man so der Flatrate-Mentalität vieler Versicherter einen Riegel vorschiebt. Darüber müssten sich doch dann wieder (fast) alle einig sein,

meint Ihr Raimund Schmid

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 35 (14) Seite 34
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.