Hausärztetag international Politik steht fest zu den Hausärzten
Ebola machte den Veranstaltern erst einmal einen dicken Strich durch die Rechnung. Toni Borg, der noch amtierende EU-Kommissar für Gesundheit, hatte kurzfristig abgesagt, ebenso fehlte auch Bundesgesundheitsminister Gröhe. Beide mussten sich an anderer Stelle darum kümmern, wie Europa bzw. Deutschland auf die Ebola-Epidemie in Afrika reagieren sollte. Toni Borg ließ die Anwesenden zumindest per Videobotschaft wissen, wie sehr ihn der sich abzeichnende Engpass bei den Allgemeinärzten mit Sorge erfülle und dass ihm die medizinische Primärversorgung durch Hausärzte deshalb besonders am Herzen liege.
Probleme sind ähnlich
Von Internationalität war im gut gekühlten Bonner World Conference Center, dem ehemaligen Bundestagsgebäude, in den Begrüßungsreden zwar viel die Rede, dann aber insgesamt doch nur recht wenig zu hören. Im Fokus standen vielmehr die Verhältnisse in Deutschland – von denen die eingeladenen europäischen Gäste vielleicht ja noch etwas lernen könnten.
Ulrich Weigeldt, der Vorsitzende des DHÄV, versuchte zumindest den Spagat, indem er darauf hinwies, dass im europäischen Umfeld die Probleme doch recht ähnlich seien. So beobachte man in den Hausarztpraxen überall eine zunehmende Arbeitsverdichtung. Außerdem wanderten immer mehr Ärzte von Land zu Land auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen. Diese Ärzte-Migration löse aber keine Probleme, sondern verlagere sie höchstens.
Primärversorgung weiter fördern
Als wesentliches Hindernis für die Nachwuchsgewinnung prangerte Weigeldt die mangelnde Anerkennung für den Hausarztberuf an. So fehlen hierzulande immer noch an 11 von 37 medizinischen Fakultäten eigene Lehrstühle für Allgemeinmedizin, es gebe immer noch kein Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr, und auch die Weiterbildung müsse noch strukturell verbessert werden. Mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) habe man in Deutschland aber inzwischen ein attraktiveres Umfeld für Hausärzte geschaffen. In anderen Ländern werde die ärztliche Primärversorgung mehr und nachhaltiger gefördert als bei uns. Dort sei ein Primärarztsystem ein selbstverständliches Organisationsprinzip und nicht ein zu bekämpfendes Ungeheuer, meinte Weigeldt mit einem Seitenhieb auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die die HzV nach wie vor zu behindern versuche und sich auch einem größeren Mitspracherecht der Hausärzte in der Körperschaft widersetze.
E-Health voranbringen
Doch mit dem bis jetzt Erreichten dürfe man sich noch nicht zufriedengeben, so Weigeldt. So müsse die IT-Struktur dringend modernisiert werden. In Dänemark beispielsweise seien die Gesundheitsdaten der Patienten weitgehend vernetzt und lägen dem Hausarzt für ein strukturiertes Therapiemanagement vor. „Es wird höchste Zeit, dass wir in Deutschland beim Thema E-Health nicht länger im Schneckentempo fahren, sondern anfangen, das Potenzial zu nutzen“, forderte Weigeldt und setzt dabei große Hoffnungen auf das von der Politik angekündigte E-Health-Gesetz. Mit diesem Gesetz will die Bundesregierung erreichen, dass Hausärzte auf relativ kurzen Wegen für ihre Patienten erreichbar bleiben. Dies sehe man auch als Anreiz für die Niederlassung in unterversorgten Regionen.
Diesen Faden nahm Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), auf. Er versprach, dass das gerade in Planung befindliche Versorgungsstrukturgesetz II, auch Versorgungsstärkungsgesetz genannt, sich insbesondere mit der hausärztlichen Versorgung befassen werde. Die Regierungskoalition wolle darin weitere Maßnahmen gegen den drohenden Ärztemangel beschließen. An vorderer Stelle stünden dabei die Sicherung der hausärztlichen Versorgung und der Ausbau der Allgemeinmedizin. Dass nur noch ca. 10 % der Facharztanerkennungen auf die Allgemeinmedizin entfalle, sei alarmierend. Die Ausbildung und ihr Umfeld müssten daher dringend verbessert werden.
Politik will Hausärzte stärken
Stroppe stellte mehr Lehrstühle für Allgemeinmedizin in Aussicht. Diese Absicht der Bundesregierung dürfe auch nicht an den Landeskultusministerien oder den Hochschulen scheitern. Im Rahmen des "Masterplans Medizinstudium 2020" solle außerdem die Auswahl der Studienbewerber für Medizin geändert werden, um den Zugang für Medizinstudenten zu erleichtern, die in die hausärztliche Versorgung gehen wollen. Zudem solle die Finanzierung der Weiterbildung ausgebaut und gesichert werden. Stroppe versprach darüber hinaus, dass sich die Arbeitsbedingungen für Hausärzte verbessern sollen. So denke man darüber nach, den Abschluss von Selektivverträgen zu erleichtern. Ferner sollen Hausärzte in Zukunft eigene Medizinische Versorgungszentren, sogenannte Hausarzt-MVZ, gründen und betreiben dürfen. Ebenso sollen Praxisnetze gefördert und die Spielräume für innovative Versorgungskonzepte erweitert werden. Auch das Thema der Entlastung der Hausärzte durch Delegation von Leistungen stehe auf der Agenda, ein flächendeckender Einsatz von Praxisassistentinnen sei in diesem Zusammenhang angedacht.
Deutliche Kritik an KBV
All diese Versprechungen vernahm das Publikum mit wohlwollender Zustimmung. Stürmischer Beifall kam jedoch erst auf, als Staatssekretär Stroppe auf das Problem der Parität von Hausärzten und Spezialisten in der Vertreterversammlung (VV) der KBV zu sprechen kam. Hier hatte die VV erst kürzlich mit einer Satzungsänderung einem Verfahren zugestimmt, um Beschlussanträge nur von Hausärzten oder von Spezialisten entscheiden zu lassen. Das eigentliche Ziel, den Hausärzten mehr Gewicht in den Entscheidungsgremien der Selbstverwaltung zu geben, sei damit aber konterkariert, fand der DHÄV. Und auch Staatssekretär Stroppe verkündete nun, dass die jetzt beschlossene Satzungsänderung so von der Bundesregierung nicht genehmigt werden wird. „Hier werden wir gesetzlich nachsteuern müssen und einen eigenen Vorschlag vorlegen, wie die Parität von Hausärzten und Spezialisten in der VV umgesetzt werden kann“, erklärte Stroppe. Die Bundesregierung halte hier an der klaren Aussage im Koalitionsvertrag zur Parität der Versorgungsebenen in der VV der KBV fest.
Sollten diese Versprechungen auch in die Realität umgesetzt werden, sähe es für die Zukunft der Hausarztmedizin vielleicht nicht kurzfristig, aber doch auf weitere Sicht schon deutlich rosiger aus. Und möglicherweise ist das ja auch etwas, was die europäischen Nachbarn aus Deutschland nach Hause mitnehmen können.
Autor:
Dr. Ingolf Dürr
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (18) Seite 28-30
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.