Schweigepflicht-Entbindung Auf den Anlass kommt es an

Praxisführung Autor: W. Enzmann

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Private Versicherungen verlangen vor Vertragsabschlüssen, aber auch zur Klärung ihrer Leistungspflicht ärztliche Auskünfte über Patienten, die eine Entbindung von der Schweigepflicht voraussetzen. Was muss der Arzt dabei beachten?

Seine Schweigepflicht verpflichtet den Arzt, dessen Mitarbeiter und andere heilberuflich Tätige unter Strafandrohung zum Schweigen über alles, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt von Patienten anvertraut oder bekannt geworden ist – grundsätzlich auch gegenüber anderen Ärzten, einer privaten Verrechnungsstelle, Familienangehörigen des Patienten und selbst über dessen Tod hinaus. Der Arzt darf Informationen jedoch weitergeben, wenn der Patient seine Einwilligung ausdrücklich oder stillschweigend erteilt hat.

Versicherer sind neugierig

Eine Einwilligung in die Entbindung von der Schweigepflicht wird häufig durch Versicherer verlangt, die zur Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht mehr oder weniger umfangreiche Daten über den Gesundheitszustand ihres (im ersten Fall noch potenziellen) Versicherungsnehmers anfordern. Dies geschieht meist mit einer durch den Versicherer vorformulierten und sehr global gehaltenen „Schweigepflichtentbindungserklärung“. Eine solche Erklärung ist nach einer 2006 ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedoch mit dem Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar und damit unzulässig, wenn sie sich sowohl auf die Behandlung in der Vergangenheit als auch in der Zukunft bezieht.

Risiko- oder Leistungsprüfung?

Im Detail kommt es darauf an, ob das Ziel des Auskunftsersuchens eine Risikoprüfung oder eine Beurteilung der Leistungspflicht ist. Bei der Risikoprüfung vor Abschluss eines Versicherungsvertrags durch private Versicherungen ist eine globale Entbindungserklärung zulässig, weil diese sich auf die Vergangenheit bezieht. Der Versicherungsnehmer weiß also, welche Ärzte und Behandlungsdaten er damit preisgibt. Anders sieht es bei der Beurteilung der Leistungspflicht aus, die sich in der Regel auf die gesamte Laufzeit des Versicherungsvertrags erstreckt. Hier ist eine unspezifische und in die Zukunft reichende Entbindungserklärung unzulässig, weil der Versicherungsnehmer noch nicht wissen kann, wo er sich weswegen künftig in Behandlung begeben wird – und damit auch, welche Daten von welchen Ärzten künftig offenbart werden könnten. Eine solche Einwilligung muss daher zeitlich wie inhaltlich ausreichend spezifiziert sein. Insbesondere muss der namentlich benannte Arzt für ein konkretes Auskunftsersuchen von seiner Schweigepflicht entbunden werden. Eine Blanko-Ermächtigung ohne erkennbaren Einzelfallbezug ist unwirksam. ▪

Entbindung von der Schweigepflicht

Von der Schweigepflicht entbunden werden kann der Arzt ausschließlich durch den Patienten selbst oder dessen juristischen Vormund.

Die Entbindung von der Schweigepflicht hat schriftlich zu erfolgen und muss aufbewahrt werden.Werden Daten für eine Risikoprüfung angefordert, so reicht eine globale Entbindungserklärung aus. Zwischen der Antragstellung des Patienten beim Versicherer und der Anforderung der Daten bei Ihnen sollten nicht mehr als sechs bis zwölf Monate liegen.

Sollen die bei Ihnen angefragten Daten zur Klärung der Leistungspflicht eines Versicherers dienen, so muss die Entbindungserklärung auf Ihren Namen ausgestellt und inhaltlich spezifiziert sein.Der Patient kann eine Entbindung von der Schweigepflicht auch von sich aus auf bestimmte Tatsachen und Themen begrenzen und jederzeit widerrufen.

Offenbarungspflicht des Arztes

Nur in bestimmten, vom Gesetz klar definierten Situationen wird die Schweigepflicht von der Offenbarungspflicht des Arztes durchbrochen. Diese ergeben sich unter anderem aus dem Infektionsschutzgesetz, dem Personenstandsgesetz, Krebsregister- und Betäubungsmittelgesetz, Röntgen- und Strahlenschutzverordnung sowie dem Sozialgesetzbuch VII (Gesetzliche Unfallversicherung). Das Strafgesetzbuch (§ 138) begründet die Offenbarungspflicht auch des Arztes bei geplanten schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Menschenhandel zu einem Zeitpunkt, zu dem diese noch zu verhindern sind. Eine Rechtsgüterabwägung in Konfliktfällen überlässt es hingegen dem moralischen Urteil des Arztes, ob er beispielsweise beim Verdacht auf Misshandlung oder bei der möglichen Gefährdung von Verkehrsteilnehmern durch nicht mehr fahrtaugliche, aber in dieser Hinsicht uneinsichtige Kraftfahrer seine Schweigepflicht bricht, was ihm § 34 StGB unter solchen Voraussetzungen freistellt.

Werner Enzmann

Quellen
BLÄK, BÄK, KVB, Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (7) Seite 36
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.