Rechtsstreitigkeiten Der richtige Anwalt für den Arzt

Praxisführung Autor: Michael Bandering

Rechtsstreitigkeiten sind unangenehm, aber manchmal nicht zu vermeiden. Bei der Suche nach anwaltschaftlicher Hilfe kommt es neben der Kompetenz des Anwalts für den in Frage stehenden Themenbereich – etwa die Spezialisierung auf Medizinrecht – auch auf andere Eigenschaften an.

Sicherlich ist es bei der Anwaltssuche der falsche Weg, bei der nächstbesten Anwaltskanzlei anzuklopfen, um den dort residierenden Advokaten anlässlich eines aktuell anstehenden Rechtsfalls zu mandatieren.

Die eigene Bedarfssituation

Generell hat man sich vorab zu fragen, in welcher Eigenschaft man eines Rechtsbeistandes bedarf. Privat ist man überwiegend mit Alltags-Rechtsproblemen konfrontiert: als Mieter, Bauherr, Autofahrer, Käufer, aber auch wegen Ehescheidung, strafrechtsrelevanter Aspekte, Schadenersatzansprüchen, Erbstreitigkeiten und dergleichen. Ein Arzt als Praxisinhaber aber beschäftigt sich unter anderem mit juristischen Themen wie Vertragsrecht, Haftungsfragen oder dem Eintreiben überfälliger Forderungen.

Der Kompromiss als vernünftigste Lösung

Stets aber spielt die persönliche Mentalität eine nicht unwesentliche Rolle: Ein ängstlicher Typ schreckt vor jedem Schritt ohne juristische Begleitung zurück, ein unbeschwerter liest kaum, was sein Vertragspartner ihm zur Unterschrift vorlegt. Der Angsthase wird verhaltensbedingt im Laufe der Zeit von Anwaltshonorarforderungen überschüttet, der Leichtfuß läuft Gefahr, unüberschaubare Risiken einzugehen. Vernünftig bleibt somit ein gesunder Mittelweg.

Dabei sollte man bedenken, dass sich im Leben viele Dinge auf freilich nur sachliche Art elegant bereinigen lassen. Auch ist der wirtschaftliche Aspekt bei Auseinandersetzungen zu beachten. So erweist sich ein Kompromiss häufig als ökonomischer als die (zumindest offene) Einschaltung von Anwalt und Gericht: Er verbaut nicht die Fortsetzung einer bestehenden Verbindung, und ob ein Gericht der eigenen oder des eigenen Anwalts Meinung folgt, bleibt angesichts zuweilen überraschender Gerichtsentscheidungen eine offene Frage. Schlechteste Ratgeber sind stets Rechthaberei und die leider weit verbreitete „Prinzipientreue“. Auch bringt ein langer Rechtsstreit nicht nur Stress durch fortdauernden Ärger, sondern kostet auch Zeit, welche in der Praxis fehlt.

Infos aus dem juristischen Umfeld

Ein Volltreffer bei der Wahl eines Anwalts ist Goldes wert. Kann doch ein unqualifizierter Anwalt die eigentlich sichersten Ansprüche seines Mandanten zunichte machen, was jeder erfahrene Richter mit Beispielen belegen kann. Bei der Wahl der Kanzlei ist nicht nur deren Lage von Interesse; beachten sollte man – soweit für Außenstehende erkennbar – auch das Betriebsklima einer Kanzlei.

Ein Rechtsanwalt kann nicht alles wissen. Daher ist der Hinweis eines Advokaten unbedingt positiv zu werten, der fallweise empfiehlt, einen Kollegen mit einschlägig besserer Erfahrung zu mandatieren. Recht hilfreich sind Anwaltssozietäten, können sich doch die dort zusammengeschlossenen Anwälte bei Spezialfragen mit Kollegen besprechen. Diesen Erfahrungsaustausch betreiben Einzelkanzleien weniger häufig. Interessant für den Arzt ist ein Anwalt, der sich auf Ärztestreitigkeiten spezialisiert hat und sich als "Fachanwalt für Medizinrecht" bezeichnen darf. Findet man ihn nicht per Internet, so kann eventuell die Anwaltskammer weiterhelfen, obgleich ihr Empfehlungen nicht gestattet sind.

Kennt man einen Richter, könnte man diesen bitten, sich bei seinen Kollegen zu informieren, welcher einschlägig tätige Anwalt bereits wiederholt erfolgreich in einem für den Arzt relevanten Sachbereich aufgetreten ist. Bekanntlich sind manche Gerichte oder Kammern auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert. Auch ein Kontakt mit der eigenen Rechtsschutzversicherung (so vorhanden) kann sich lohnen, denn zumindest die größeren Versicherer verfügen auch über Adressen von nach ihrer Erfahrung erfolgreichen Anwälten in dem jeweiligen Spezialgebiet.

Was jenseits des Fachwissens zählt

Beschränken sich manche Anwälte auf ihr juristisches Fachwissen, so verfügen andere darüber hinaus über das so wichtige wirtschaftliche Gespür, das abseits von formaljuristischer Kompetenz für ein erfolgreiches Agieren von Vorteil ist. Wesentlich für einen Arzt ist auch das ehrliche Einschätzen der Erfolgsaussichten etwa bevorstehender Rechtsstreitigkeiten, so dass der Arzt gegebenenfalls noch rechtzeitig außergerichtliche und damit kostensparende Kompromisse mit seinem Kontrahenten ansteuern kann.

Das bedeutet, dass als Erstes mit dem Anwalt die (hoffentlich) richtige Taktik bei der Verfolgung eines Anspruchs abzusprechen ist. Gewarnt sei in diesem Zusammenhang vor „prozessfreudigen“ Anwälten, die unabhängig vom zu erwartenden Urteil primär an ihr Honorar denken und deshalb zielstrebig auf eine Klageerhebung hinsteuern.

Die Anwaltshaftung

Sie erstreckt sich naturgemäß nicht auf Misserfolg bei Gericht. Versäumt aber ein Anwalt beispielsweise wesentliche Termine, kann er in Regress genommen werden. Doch sollte man den Vorgang vorweg der regional zuständigen Anwaltskammer vortragen, ehe man weitergehende Schritte überlegt.


Darüber hinaus gilt, dass wie bei jedem Freiberufler die wichtigste Basis einer Verbindung Anwalt – Mandant absolutes, berechtigtes gegenseitiges Vertrauen und beiderseitige Aufrichtigkeit sein und bleiben müssen.

Als negative Aspekte gelten auch Unpünktlichkeit, unnötig hohe Nebenkosten (Unterlagen werden trotz billigerer Alternativen beispielsweise per Boten zugestellt) oder sich wiederholende Schriftsatzinhalte, die von Gerichten nicht geschätzt werden. Bei einem besonders renommierten Anwalt kann man allerdings Gefahr laufen, dass dieser den Fall an einen Angestellten mit möglicherweise geringerer Kompetenz delegiert, der zum Nachteil des Mandanten ungleich weniger Ehrgeiz als sein Chef entwickeln könnte. Wer als Klient den Anwalt wechseln möchte, kann das auch im laufenden Verfahren tun – oder wenn ein Streitfall in die nächste Instanz geht, denn dann werden höhere Gebühren fällig.

Bei Empfehlungen Dritter sollte man prüfen, ob deren Zielrichtung der eigenen ähnelt. Schließlich muss die „Chemie“ Anwalt – Mandant stimmen. Daher sollte bei Sozietäten ein bestimmter Anwalt als ständiger persönlicher Ansprechpartner fungieren, um die unabdingbare Vertrauensbasis zu gewährleisten. Sie setzt u. a. voraus, dass der Arzt dem Anwalt mit absoluter Aufrichtigkeit begegnet, selbst wenn einzuräumende Aspekte gegen ihn selbst sprechen – ein unter Umständen prozessentscheidendes Moment.

Zu guter Letzt gilt es, private Verbindungen des Anwalts für "informelle Wege" zu nutzen, die namentlich bei älteren Advokaten zu finden sind.

Das Anwaltshonorar

Grundlage des Anwaltshonorars ist der Streitwert, der bei Kapitalforderungen regelmäßig klar formuliert ist. Zwar gibt die gesetzliche Rechtsanwalts-Honorartabelle Hilfestellung, doch sind davon unabhängige freie Honorarvereinbarungen nicht nur weit verbreitet, sondern oft sinnvoll. Dazu zählt das „Zeithonorar“ (z. B. zwischen 200 und 300 Euro je Advokaten-Arbeitsstunde, womit gleichzeitig die Kosten für Kanzlei und Mitarbeiter abgedeckt werden). Es orientiert sich an dem fallweise tatsächlich erforderlichen Zeitaufwand, der durch Akten- und vor allem einschlägiges Urteilsstudium erheblich sein kann. Zumal die Schriftsätze eines Anwalts keinen Anhaltspunkt für den dafür benötigten Zeitaufwand bieten.

Leider hängen Anwalts-, Gerichts- und Nebenkosten wie z. B. die unter Umständen erheblichen Aufwendungen für Gutachter von der Komplexität eines Verfahrens und dessen Dauer ab, so dass Gebührensicherheit ein unerreichbares Ziel bleibt – ein Grund mehr, im Zweifel den außergerichtlichen Weg anzustreben.


Autor:
Michael Bandering

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (15) Seite 74-75
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.