32. Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte Ein Hoch im Norden

Praxisführung Autor: Werner Enzmann

© Der Allgemeinarzt

Über 1.300 Teilnehmer lockte der Seminarkongress Norddeutscher Hausärzte nach Lüneburg. In 49 Seminaren konnten Ärzte und MFAs ihr Wissen updaten, Fortbildungspunkte sammeln und sich über aktuelle Fragen austauschen.

Über mangelndes Teilnehmerinteresse konnte sich der Landesverband Niedersachsen des Deutschen Hausärzteverbandes als Organisator des 32. Seminarkongresses nicht beklagen. Um rund 20 % stieg die Zahl der Fortbildungswilligen gegenüber dem Vorjahr. "Wir bieten außer der medizinischen Fortbildung unter anderem zu dem wichtigen Thema Palliativmedizin auch Seminare zu Ultraschall und Praxismanagement nebst Seminaren zur wirtschaftlichen Sicherung der Hausarztpraxis an", erklärt der Landesvorsitzende Dr. med. Matthias Berndt. Zum Programm gehörten nicht nur Kurse für Ärzte, sondern auch zahlreiche Angebote für MFAs sowie 4 Seminare zu Versorgungsthemen speziell für VERAHs. Die Palette reichte von Diabetes, COPD, Pädiatrie und Wundversorgung übers Notfallmanagement bis zu Windows 10.

Forum zur Flüchtlingsversorgung

Die sprachlichen und organisatorischen Herausforderungen, vor welche der Zustrom an Migranten das Gesundheitswesen insgesamt und die Hausärzte im Besonderen stellt, waren Thema eines offenen Politikforums. "Hausärzte gehören oft zu den ersten Ansprechpartnern, wenn es um die medizinische Versorgung dieser Menschen geht, darunter vieler Kinder", so Berndt. "Probleme bereiten dabei eher die Sprache oder unklare Kostenübernahme als medizinische Fragen." Dass sich auf einen Aufruf hin binnen kürzester Zeit über 200 Hausärzte in Niedersachsen bereit erklärt hatten, über ihre normale Praxistätigkeit hinaus auf Abruf Flüchtlinge zu versorgen, freute Berndt besonders.

Karriere Allgemeinmedizin

Wichtig ist dem Landesvorsitzenden aber auch das Thema "hausärztlicher Nachwuchs", für das er sich persönlich einsetzt – etwa, um Ärzte zur Niederlassung in unterversorgten Regionen zu motivieren. Ein neues Seminar mit dem Titel "Karriere Allgemeinmedizin", gedacht als Pilotprojekt, war schnell ausgebucht; Medizinstudenten und Ärzte in Weiterbildung löcherten die Referenten Dr. med. Marion Charlotte Renneberg (Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Fachärztin für Allgemeinmedizin in Ilsede) und Prof. Dr. med. Thomas Lichte (ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, Lauenbrück) mit Fragen zu Praxisformen, Vor- und Nachteilen von Niederlassung und Anstellung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, unterschiedlichen Weiterbildungsmodellen, Umgang mit Chefärzten und vielem mehr. Die lebhafte Diskussion zeigte, dass das Interesse am Beruf des Allgemeinarztes und auch an einer Landarztpraxis durchaus vorhanden ist und die Unsicherheiten oft Fragen der Zulassung und der Gestaltbarkeit der Berufsausübung betreffen. Genau diese mögliche Vielfalt stellte sich in der Diskussion aber auch als Vorzug dar, denn Allgemeinärzte können überall arbeiten und zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Berufstätigkeit nutzen.

Hausarzt-Domäne Transitionsmedizin

Zu den neuen Themenangeboten gehörte die Transitionsmedizin, bei der es darum geht, für chronisch kranke Kinder einen reibungslosen Übergang von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin zu ermöglichen – ein eigentlich genuin hausärztliches Feld, auf dem sich, so der wissenschaftliche Leiter des Seminarkongresses, Rüdiger Quandt, zunehmend und medienwirksam Fachgesellschaften zu profilieren versuchten, deren Vertreter dafür ein extrabudgetäres Honorar fordern.

Regen Zuspruch fanden Seminare zur EBM- und GOÄ-Abrechnung, und die zahlreichen Fragen der Zuhörer bestätigten den Eindruck, dass die Medizin eine Wissenschaft ist, das Einfordern der verdienten Honorare hingegen eine Kunst. Das Programm umfasste neben vielen anderen Themen auch Veranstaltungen zur HzV-zertifizierten Fortbildung und zu DMP-Fortbildungsverpflichtungen; in Lüneburg wird in Zusammenarbeit mit der AOK darüber hinaus auch stets ein Gesundheitstag für Patienten angeboten, der sich diesmal mit dem gesunden Älterwerden befasste. Dass es eine Verbindung zwischen Vitaminmangel und Demenz gibt, machte Dr. med. Heinz Jarmatz deutlich: "Die Ursachen der verschiedenen Demenz-Arten sind noch nicht abschließend geklärt. Doch es erscheint sicher, dass eine falsche Ernährung sowohl die Entstehung als auch den Fortgang der Krankheit begünstigen kann", so der Ehrenpräsident des Hausärzteverbandes Niedersachsen und Allgemeinarzt aus Scharnebeck.

Dass der Seminarkongress auch in den nächsten Jahren weiter wachsen und gedeihen wird, darf man als gesichert annehmen. Dafür steht nicht nur das Seminarprogramm selbst, sondern auch der Veranstaltungsort: ein Tagungshotel, in dem alle Veranstaltungen Platz finden, und eine sehenswerte mittelalterliche Salz-, Hanse- und Handelsstadt, die mit ihrer vielfältigen touristischen Infrastruktur mehr als genug Abwechslung für die Mittagspausen und die Abende bereithält.

Werner Enzmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (13) Seite 76-77
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Für Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Deutschen Hausärzteverbandes, zählt die Gewinnung hausärztlichen Nachwuchses zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben. Für Dr. Matthias Berndt, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des Deutschen Hausärzteverbandes, zählt die Gewinnung hausärztlichen Nachwuchses zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben. © Hochschulverband Niedersachsen
Mehr als 35 Aussteller informierten die Besucher des Seminarkongresses über ihre Angebote. Mehr als 35 Aussteller informierten die Besucher des Seminarkongresses über ihre Angebote. © Hochschulverband Niedersachsen
Erstmals auf der Agenda – und gleich ausgebucht: Marion Charlotte Renneberg (links), Fachärztin für Allgemeinmedizin und stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, referierte mit Prof. Dr. Thomas Lichte, ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, vor 21 Seminarteilnehmern beim Seminar "Karriere Allgemeinmedizin" über den Einstieg in die Tätigkeit als Hausarzt. Erstmals auf der Agenda – und gleich ausgebucht: Marion Charlotte Renneberg (links), Fachärztin für Allgemeinmedizin und stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, referierte mit Prof. Dr. Thomas Lichte, ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, vor 21 Seminarteilnehmern beim Seminar "Karriere Allgemeinmedizin" über den Einstieg in die Tätigkeit als Hausarzt. © Hochschulverband Niedersachsen