Wirtschaftliche Praxisführung Kein Buch mit sieben Siegeln

Praxisführung Autor: Andrea Becker, Stefan Hoch

Betriebswirtschaftliche Kenntnisse müssen sich (neu) niedergelassene Ärzt:innen meist mühevoll aneignen. Auch für schon länger niedergelassene Praxisinhaber:innen bestimmen oft Erfahrungswissen sowie Bauchentscheidungen den Alltag. Das kann es im Praxisalltag zu einer Herausforderung machen, das Unternehmen Arztpraxis auch wirtschaftlich erfolgreich zu führen.

Wer sich mit Praxisstrategie, Zielerreichung und damit zwangsläufig auch der Wirtschaftlichkeit seiner Praxis nicht auseinandersetzt, verschenkt sicherlich viel Potenzial. Dabei ließe sich dies mit einfachen betriebswirtschaftlichen Instrumenten vermeiden.

Von Zielen zu Entscheidungen

Ausgangspunkt einer wirtschaftlichen Praxis ist das Definieren von persönlichen und beruflichen Zielen. Im Idealfall sollten beide Zielsetzungen mit dem Beginn der Niederlassung konkret gefasst und abgestimmt sein.

Extrem konträre Zielsetzungen wie zum Beispiel ein Maximum an freier Zeit und ein hoher Praxisertrag passen in der Regel nicht zusammen. Je mehr die Praxisziele auf die persönlichen Ziele abgestimmt sind, desto klarer sind die Maßnahmen zur Zielerreichung. Sämtliche von der Praxisinhaber:in entschiedenen Maßnahmen, die z. B. Investitionen, Personalentscheidungen, Werbemaßnahmen, medizinische Leistungen, Prozesse etc. betreffen, wirken dann in ein und dieselbe Richtung. Mit jeder rational auf die Ziele ausgerichteten Entscheidung rückt die Zielerreichung näher. Werden Entscheidungen jedoch nicht rational, sondern nach Tagesform getroffen, treiben sie die Arztpraxis heute in die eine und morgen in die andere Richtung. Fortschritt oder gar Zielerreichung ist ohne klare Orientierung meist nicht möglich.

Tipp 1: Praxisstrategie

  • Welche beruflichen Ziele möchten Sie langfristig in Ihrer Praxis erreichen?
  • Welche Maßnahmen sollten Sie ergreifen, um diese Ziele in den nächsten drei bis fünf Jahren zu erreichen?

Entscheidungsspielräume schaffen

Voraussetzung für das Erreichen dieser Ziele ist auch das Erkennen von Entscheidungsspielräumen. Dabei ist für die Festlegung von echten Spielräumen die Unterscheidbarkeit zu Mitbewerber:innen essenziell. Um sich von anderen Anbietern in der Region abzugrenzen, kann eine Vielzahl von Stellschrauben genutzt werden. Dazu zählen z. B. die fachliche Qualifikation und das Leistungsspektrum, die Patientenakquise und die Praxisinfrastruktur. Zu den wichtigen Unterscheidungsmerkmalen einer allgemeinmedizinischen Arztpraxis gehört aus Patientensicht auch besonderer Service, wie z. B. eine Abendsprechstunde. Auch zeitnahe Terminvergabe und kurze Wartezeiten für spezielle Patientenzielgruppen erhöhen die Praxisattraktivität − ebenso eine überdurchschnittliche Patientenzuwendung. Wichtig ist, dass die ausgewählte Positionierung entweder zu den gegebenen Rahmenbedingungen passt (Lage der Praxis, fachliche Qualifikation, Ausstattung, Einwohnerstruktur im Umfeld etc.) oder dass die Rahmenbedingungen so weit veränderbar sind, dass sie als Nährboden für die erwünschte Positionierung taugen. Entscheidend ist, dass der regionale Markt regelmäßig dahingehend überprüft wird, wie Mitbewerber:innen aufgestellt sind und welche Leistungen in der Region nachgefragt werden.

Tipp 2: Leistungsangebot

  • Eine moderne Hausarztpraxis braucht ein Leistungsangebot, das zu den Kompetenzen passt, aber auch auf Nachfrage stößt.
  • Führen Sie regelmäßige Patientenbefragungen durch. Dadurch erfahren Sie, welche Leistungen besonders gefragt sind.

Von Struktur bis Organisation

Mitentscheidend für den Praxiserfolg und auch die Arbeitszufriedenheit der Praxisinhaber:in sind die Qualität der Praxisstruktur und der reibungslose Ablauf durch die Praxisorganisation. Prüfen Sie, ob Sie mit der vorhandenen Praxisstruktur wie zum Beispiel Personalkapazität und -kompetenz, Praxiseinrichtung und dem eigenen Standort Ihre Ziele erreichen können. Ist dies nicht der Fall, passen Sie die entsprechenden Strukturen an. Die Basis für reibungslose und effiziente Abläufe im Praxisalltag besteht auch in durchdachten und klar definierten Zuständigkeiten für die einzelnen Mitarbeiter:innen. Das bedeutet, dass je besser und eindeutiger die Frage: "Wer macht was in der Praxis?" beantwortet wird, umso weniger Zeit verloren geht für die individuelle Abklärung, wer welche Aufgabe zu übernehmen hat oder eben auch nicht. Unklare Zuständigkeiten kosten Zeit und Nerven und sind eine unerschöpfliche Fehlerquelle. Eine klar strukturierte Praxisorganisation gibt dem Team bereits im Vorfeld alle notwendigen Antworten darauf wie beispielsweise die allgemeinmedizinische Praxis und die dazugehörige Honorarabrechnung, Terminplanung und das Bestellsystem funktionieren. Auch der Umgang mit medizinischer Technik sollte jeder Mitarbeiter:in bekannt sein, ebenso wie welcher Dienstleister oder Kooperationspartner bei Bedarf anzusprechen ist. Je besser und klarer die Organisation festgelegt ist, umso effizienter ist der laufende Verwaltungsablauf.

Tipp 3: Struktur und Ablauf

  • Können Sie mit dieser Struktur Ihre Ziele erreichen? Wenn nicht, können diese Strukturen angepasst werden?
  • Ist der Praxisablauf reibungslos? Was können Sie konkret optimieren?
  • Ist der Kalender mit Terminen gefüllt oder gibt es ungewollte Leerzeiten?
  • Führen Sie regelmäßig Teambesprechungen durch, unabhängig von akuten Auffälligkeiten.
  • Legen Sie eindeutige Zuständigkeiten für alle Mitarbeiter:innen fest.

Fazit und Ausblick

Der wirtschaftliche Praxiserfolg steht und fällt mit einer individuell ausgerichteten Praxisstrategie. Ausgehend von dieser Strategie müssen u. a. Leistungsangebot und Praxisorganisation angepasst werden. Aber auch die Mitarbeiter:innen spielen eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit. Im Folgeartikel werden wir uns deswegen u.a. intensiv mit dem Thema "Führen und Fördern" beschäftigen.


Autoren
Frielingsdorf Consult GmbH
Praxisberatung und Schulung zu
Strategie, Kooperationsmodellen sowie Wirtschaftlichkeit
becker@frielingsdorf.de
hoch@ frielingsdorf.de

Erschienen in: doctors|today, 2021; 1 (7) Seite 64-65
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.