Akuter Fallfuß: wichtige Fragen und Handgriffe
„Doktor, mein Fuß hängt“ – diese Klage kann bei Ihnen ganz unterschiedliche Programme in Gang setzen. Ob Sie den Patienten mit Peronaeuslähmung eilig überweisen oder ihn nur sorgfältig beraten und nach zwei Monaten wieder einbestellen, hängt davon ab, auf welcher Etage die Schlappfuß-Ursache sitzt. Gezielte Fragen klären die Situation.
Es könnte sich zum Beispiel um eine vierzigjährige Yogalehrerin handeln, die ihren Hausarzt aufsucht, weil sie seit Neuestem öfter stolpert und sich der linke Fußrücken taub anfühlt. Hier geht der Verdacht eher in Richtung Peroneus-Neuropathie – durch Kompression des Nervs am Fibulaköpfchen in Höhe des Knies bei bestimmten Yogapositionen.
In einem anderen Fall könnte aber eine akute ZNS-Ischämie für den Fallfuß verantwortlich sein – zugegebenermaßen wesentlich seltener, aber möglich, schreiben Dr. Femke Stevens von der Abteilung für Familienmedizin der Universität Maastricht und Kollegen. Differentialdiagnostisch einen großen Schritt weiter bringt Sie die eingehende Anamnese. Da einer Peroneuslähmung sehr häufig Druckschäden zugrunde liegen, zielen die Fragen auf prolongiertes Knien, Hocken oder Beineübereinanderschlagen.
Peroneuslähmung sehr häufig auf Druckschäden zurück zu führen
Daneben könnte eine Unterschenkel-Gipsbehandlung oder die Lagerung bei kurz zurückliegender Operation für Druck im Bereich des Fibulaköpfchens verantwortlich gewesen sein. Fragen Sie auch nach Faktoren, die eine Mononeuropathie des N. peroneus ausgelöst haben könnten, empfehlen die Autoren. Hat der Patient in jüngster Zeit stark abgenommen („Slimmers Palsy“), ein Überdehnungstrauma erlitten oder eine Kniekehlenschwellung bemerkt (Bakerzyste)? Liegen andere Neuropathie-Risikofaktoren vor, wie Diabetes, Alkoholabusus oder Chemotherapie? Ist der „Steppergang“ vielleicht Folge eines direkten Traumas oder Folge einer Operation am Kniegelenk?
Die Fußschwäche, erläutern die Autoren, sieht man üblicherweise unmittelbar nach einem direkten Trauma, sie kann aber auch um einige Tage verzögert auftreten. Wichtige Informationen liefern darüber hinaus bestimmte Begleitsymptome. Ein schmerzloser „Fallfuß“ ohne weitere neurologische Symptome geht fast immer auf eine isolierte Peroneus-Mononeuropathie zurück.
Schmerz dient der Differentialdiagnose
Hinter einem schmerzhaften Fallfuß kann dagegen auch eine L5-Radikulopathie bzw. eine lumbale Plexusläsion stecken. Bei der klinischen Untersuchung muss der Patient zunächst „auf den Laufsteg“: Schauen Sie ob ein extrem hoher Steppergang besteht – als Hinweis auf starke Muskelschwäche – und prüfen Sie Zehen- und Hackengang. Letzterer gelingt dem Patienten mit Peroneuslähmung auf der kranken Seite nicht.
Inspizieren Sie die Beine genau im Hinblick auf Rötung und Schwellung oder andere Zeichen eines stattgehabten Traumas (Cave: Kompartmentsyndrom!). Und achten Sie auf die Sensibilität: Ein Taubheitsgefühl im ersten Zwischenzehenraum weist auf Schädigung des tiefen Anteils des Peroneus hin. Gefühlsstörungen an anterolateralem Unterschenkel und Fußrücken deuten auf eine Läsion des N. peroneus superficialis.
Besteht Parästhesie zwischen den Zehen?
An Bewegungs-Tests folgen: Dorsalflexion/Eversion* (Peronealnerv), Plantarflexion/Inversion (N. tibialis) und Hüftabduktion. Hohen differentialdiagnostischen Wert hat die geschwächte Hüftabduktion, betonen die Kollegen. Richten Sie den Blick des Untersuchers weg vom Peroneus und hin zur Nervenwurzel L5. Auffälligkeiten der Beinreflexe und ein positiver Babinski führen Sie ebenfalls auf die Spur eine höher gelegene Läsion.
Wenn Sie den Peronealnerv in seinem Verlauf abklopfen und der Patient plötzlich über Nadelstichgefühle berichtet (Tinelzeichen), hilft Ihnen dies ebenfalls, eine Läsion zu lokalisieren. Elektrophysiologische Diagnostik (EMG, NLG) kann Ihre Diagnose untermauern.
Abduktionsschwäche weist auf zentrale Läsion im Bereich L5 hin
Beim akuten bilateralen Fallfuß muss unverzüglich, wenn Sie Faszikulationen oder generalisierte Neuropathiezeichen finden, zeitnah der Neurologe konsultiert werden. Der Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom bedeutet wiederum: sofort zum Chirurgen! In Ruhe angehen kann man die Angelegenheit, wenn sich eine lokale Nervenkompression als Ursache identifizieren lässt.
Der Patient muss verstehen, dass der Nerv sich nur erholen kann, wenn er die auslösenden Gewohnheiten wie Beineübereinanderschlagen, Hocken, Knien „abstellt“. Darauf, dass sich der Heilungsprozess über zwei bis drei Monate hinziehen kann, müssen Sie den Patienten vorbereiten. Empfehlen Sie ferner gutes Schuhwerk, um Unfälle (Knöcheldistorsionen) infolge der Fußheberschwäche zu vermeiden, raten die Kollegen.
Bei ausgeprägtem Fallfuß bedarf es eventuell einer Orthese, um das Laufen zu erleichtern. Physiotherapie zur Muskelstärkung kann sich ebenfalls lohnen. Sind Sie bei der klinischen Kontrolle nach zwei Monaten mit dem Zustand des Beines nicht zufrieden, sollten Sie allerdings doch noch einen Neurologen mit ins Boot holen.
*Pronation + Dorsalextension + Abduktion
Quelle: Femke Stevens et al. BMJ 2015; online first