Kortikosteroidhypersensitivität Angestachelt statt ausgebremst

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Bei Verdacht sollte ein Hauttest (bevorzugt Prick, bei negativem Ergebnis intradermal) veranlasst werden, der auch die in den Präparaten verwendeten Konservierungs- und Hilfsstoffe umfasst. Bei Verdacht sollte ein Hauttest (bevorzugt Prick, bei negativem Ergebnis intradermal) veranlasst werden, der auch die in den Präparaten verwendeten Konservierungs- und Hilfsstoffe umfasst. © New Africa – stock.adobe.com

Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber Kortikosteroiden treten statistisch gesehen eigentlich selten auf. Bedenkt man aber, wie viele Menschen jeden Tag Steroide inhalieren, oral einnehmen, als Infusion/Injektion erhalten, sich in die Nase sprühen oder als Creme auftragen, wird deutlich, dass in diesem Fall selbst niedrige Prävalenzen klinisch relevant sind. 

Wie häufig allergische Hypersensitivitätsreaktionen gegenüber Kortikosteroiden genau vorkommen, ist schwierig zu sagen, da sich die meiste Literatur zum Thema auf Fallberichte und kleine Fallserien bezieht. Für unmittelbare Reaktionen innerhalb einer Stunde wurde eine Prävalenz von 0,1–0,3 % und für verzögerte Reaktionen (nach Stunden bis Tagen) von 0,5–5 % angegeben. 

Eine Hypersensitivität kann grundsätzlich bei allen Kortikosteroiden und allen Darreichungsformen auftreten, wie Dr. Keren Mahlab-Guri von der Hebrew University of Jerusalem und Kollegen betonen. Die meisten kommen bei Substanzen aus der Klasse A vor, gefolgt von Klasse B und Klasse D2. Substanzen der Klassen C und D1 verursachen dagegen nur sehr selten allergische Reaktionen. Es scheint, dass Kortikosteroide und ihre Metabolite sowohl allein als auch an Serum- oder kutane Proteine gebunden als Antigene fungieren können. Außerdem können die Patienten auch auf andere Substanzen der jeweiligen Klasse oder v.a. bei Spätreaktionen sogar auf Wirkstoffe einer anderen Klasse (kreuz)reagieren.

Bekannte Vertreter der Steroidklassen (Auswahl)

A

Hydrocortison, Fludrocortison, Prednison, Prednisolon, Methylprednison, Tixocortolpivalat (bevorzugte Substanz für den Patch-Test)

B

Triamcinolonacetonid, Fluocinolonacetonid, Fluocinonid, Halcinonid, Budesonid (bevorzugte Substanz für den Patch-Test)

C

Betamethason (bevorzugte Substanz für den Patch-Test), Dexamethason, Fluocortolon

D1

Beclometason (bevorzugte Substanz für den Patch-Test) plus -diproponat und -valeriat, Betamethasondiproponat und -valeriat, Clobetasol-17-butyrat und -propionat, Mometasonfuroat, Fluticason

D2

Methylprednisolonaceponat (bevorzugte Substanz für den Patch-Test), Prednicarbat, Hydrocortison-17-butyrat und -propionat

* Farbe korreliert mit Häufigkeit der Reaktionen, je dunkler, desto häufiger

Die Autoren empfehlen, an die Möglichkeit einer Hypersensitivitätsreaktion zu denken, wenn sich die zugrunde liegende Erkrankung – etwa Asthma oder Neurodermitis – im Anschluss an die Gabe von Kortikoiden paradoxerweise zu verschlechtern scheint. Die allergische Reaktion ist nicht immer einfach zu erkennen, da sie der ursprünglichen Indikation ähneln kann.

Sofortreaktionen

Hypersensitivitätsreaktionen, die innerhalb einer Stunde auftreten, sind in der Regel – aber nicht ausschließlich – IgE-vermittelt. Am häufigsten treten sie bei Substanzen der Klasse A auf. Beispiele sind u.a. Anaphylaxie, Urtikaria, Angioödem, Flushing oder Prä-Synkopen. 

Bei Verdacht sollte ein Hauttest (bevorzugt Prick, bei negativem Ergebnis intradermal) veranlasst werden, der auch die in den Präparaten verwendeten Konservierungs- und Hilfsstoffe umfasst. Bei dessen Auswertung muss bedacht werden, dass der Hauttest trotz vorhandener Hypersensitivität negativ bleiben kann, wenn die Allergie nicht-IgE-vermittelt ist oder sich gegen einen Proteinkomplex als Allergen richtet, wie die Autoren erläutern. Der Goldstandard zur Bestätigung einer Hypersensitivität vom Soforttyp sind daher kontrollierte Provokationstests. 

Die Akutbehandlung besteht aus einer intravenösen Flüssigkeitszufuhr, Adrenalin und Antihistaminika sowie bei Bedarf Sauerstoff. Des Weiteren sollte man im Anschluss mittels Haut- und Provokationstest klären, welche sicheren Alternativen dem Patienten für die verursachende Substanz bleiben. Falls keine gefunden werden oder ein Provokationstest aufgrund vorangegangener schwerer Anaphylaxien nicht zur Debatte steht, kann eine Desensitivierung infrage kommen, so die Autoren. Der Effekt sei aber nicht dauerhaft und müsse vor jeder erneuten Steroidtherapie wiederholt werden.

Verzögerte Reaktionen

T-Zell-vermittelte Hypersensitivitätsreaktionen treten später als eine Stunde nach der Applikation auf (Typ-IV-Reaktion). Zu den häufigsten Vertretern gehört die allergische Kontaktdermatitis nach der Applikation steroidhaltiger Exterma in Form von lokalen oder systemischen Erythemen/Ekzemen – auch andere Hautreaktionen sind möglich. Erytheme und Ödeme können darüber hinaus auch nach der Nutzung von Inhalatoren, Nasensprays/-tropfen oder Augentropfen mit steroidhaltigem Inhalt vorkommen. 

Den Patienten bleibt in erster Linie nur die Allergenkarenz. Um eine mögliche verzögerte Hypersensitivität zu untersuchen, sind Patch-Tests die Methode der Wahl, da Pricktests negativ ausfallen und bei intradermalen Tests eine Atrophie droht. Die Patch-Tests umfassen neben der verdächtigen Substanz und Zusatz- bzw. Trägerstoffen auch weitere Kortikosteroide derselben sowie anderer Klassen, da bekannt ist, dass bei Typ-IV-Sensitivität Kreuzreaktionen auftreten können. Daran anschließend empfehlen die Autoren einen zusätzlichen Provokationstest mit möglichen Alternativen, um weitere Hypersensitivitätsreaktionen bei zukünftigen Behandlungen zu umgehen.

Quelle: Mahlab-Guri K et al. Swiss Med Wkly 2023; 153: 40025; DOI: 10.4414/smw.2023.40025