Small-Fiber-Neuropathie Angriff auf die kleinen Nervenfasern
Die Small-Fiber-Neuropathie (SFN) betrifft hauptsächlich kleine sensible und autonome Nervenfasern, die für Schmerz- und Temperaturwahrnehmung sowie autonome Funktionen zuständig sind. Motorische und dickere sensible Fasern bleiben dabei intakt, schreiben Fiona Fischer, Klinik für Neurologie der Universität Aachen, und Kollegen. Die Kleinfaserneuropathie ist elektroneurografisch nicht nachweisbar, weshalb die Diagnose herausfordernd sein kann.
Bei der längenabhängigen Form der Erkrankung überwiegen auf oder direkt unter der Haut lokalisierte Fehlwahrnehmungen, die distal betont sind. Zu den Plussymptomen zählen Brennschmerzen, Parästhesien, Allodynie und Hyperalgesie. Unter den Minussymptomen werden u.a. Taubheitsgefühle oder ein reduziertes Temperaturempfinden zusammengefasst.
Autonome neuropathische Symptome sind vor allem verbreitet bei einer SFN, die im Rahmen eines Diabetes mellitus, einer Amyloidose oder des Sjögren-Syndroms auftritt. Dazu gehören Obstipation, Harnverhalt, orthostatischer Schwindel und trockene Schleimhäute.
Für die Diagnose der Small-Fiber-Neuropathie wurden verschiedene Kriterien vorgeschlagen. In der klinischen Praxis praktikabel sind vor allem die sogenannten Besta-Kriterien.
Reflexe, Vibrationsempfinden und Sensibilität prüfen
Für diese müssen zwei der folgenden drei Bedingungen erfüllt sein:
- klinische Symptome einer Beeinträchtigung der kleinen Fasern (vor allem distal betonte sensible Plus- oder Minussymptome)
- abnorme Wahrnehmungsschwellen für Wärme und/oder Kälte am Fuß, festgestellt mittels quantitativer sensorischer Testung
- reduzierte intraepidermale Nervenfaserdichte am Unterschenkel, ermittelt per Hautbiopsie
Zur Beurteilung der neuropathischen Schmerzen empfehlen die Autoren den painDETECT-Fragebogen. Die körperliche Untersuchung sollte Reflexe, Vibrationsempfinden sowie sensible Funktionen distal und proximal einschließen.
Autonome Symptome lassen sich z.B. mit der COMPASS-31-Skala erfassen. Nach einer orthostatischen Kreislaufregulationsstörung sollte mittels Stehtest gesucht werden. Nach 5 Minuten Liegen lässt man den Patienten 10 Minuten stehen und zeichnet dabei minütlich Herzfrequenz und Blutdruck auf. Statt frei zu stehen, kann der Patient sich auch an eine Wand lehnen – was gerade bei schwer Betroffenen oft das sicherere Vorgehen ist.
Eine SFN kann auch als Komorbidität eines posturalen Tachykardiesyndroms (POTS) auftreten. Dieses ist mit einer Prävalenz von 0,2 % eine der häufigsten autonomen Neuropathien.
Erkennbar ist ein POTS z.B. daran, dass die Herzfrequenz während einer Stehzeit von 10 Minuten anhaltend um mehr als 30 oder 40 Schläge pro Minute steigt, keine orthostatische Hypotonie besteht und Symptome wie Schwindel oder Herzstolpern schon länger als drei Monate vorhanden sind. Auch lageunabhängige Symptome wie Kopfschmerzen oder gastrointestinale Beschwerden können auftreten. Bisherige Befunde sprächen dafür, dass eine SFN bei gleichzeitigem POTS meist nicht längenabhängig ist, so Fischer und Kollegen. Noch fehle es aber an ausreichender Evidenz dafür.
Als seltene Differenzialdiagnose muss man an autoimmune autonome Neuropathien denken. Die Betroffenen leiden vor allem unter ausgeprägten Kreislaufbeschwerden und unter Blasenentleerungsstörungen. Pathophysiologisch relevant sind Autoantikörper z.B. gegen die α3-Untereinheit der ganglionären Acetylcholinrezeptoren. Einige Patienten leiden unter neuropathischen Schmerzen. Biopsie und sensorische Testung zeigen ggf. eine generalisierte Schädigung der kleinen Fasern an.
Neuropathische Schmerzen kommen außerdem bei Ehlers-Danlos-Syndromen vor. Diese fallen insbesondere durch eine Hypermobilität der Gelenke und eine Hyperelastizität der Haut auf. In einigen Studien fand sich eine Assoziation von Ehlers-Danlos-Syndromen mit der Diagnose einer Small-Fiber-Neuropathie.
Differenzialdiagnostisch ebenfalls relevant ist die ATTR-Amyloidose, die eine genetische Ursache für periphere Nervenschädigungen darstellt. Bevor die Amyloidablagerungen in Nerven, inneren Organen und Blutgefäßen Organkomplikationen hervorrufen, leiden viele Betroffene an neuropathischen Schmerzen und autonomen Symptomen. Ähnliches gilt für den Morbus Fabry.
Bei Orthostase-Symptomen auf Flüssigkeit und Salz achten
Der Behandlungsfokus liegt bei der Small-Fiber-Neuropathie auf einer multimodalen Schmerztherapie. Auf der ersten Stufe umfasst diese Pregabalin, Gabapentin, Amitriptylin oder Duloxetin. Gegen orthostatische Symptome kommt man eventuell durch eine (angepasste) antihypertensive Medikation an. Die Patienten sollten 2–3 Liter pro Tag trinken und 8–12 g Salz täglich zuführen. Kompressionsstrumpfhosen der Klasse II, Stehtraining und ein Training der Bein- und Bauchmuskulatur tragen ebenfalls dazu bei, Kreislaufstörungen einzudämmen. Medikamentös können Midodrin, Fludrocortison oder Pyridostigmin erwogen werden.
Die ATTR-Amyloidose und der Morbus Fabry sind kausal behandelbare Differenzialdiagnosen. Sind autoimmune Mechanismen im Spiel, können antiinflammatorische Medikamente (meist off label) eingesetzt werden.
Quelle: Fischer F et al. Schmerz 2024; 38: 33-40; DOI: 10.1007/s00482-023-00783-w