Funktioneller Tremor Auf Selbstwirksamkeit setzen
Lange Zeit basierte der Nachweis des funktionellen Tremors auf dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Heute wird die Diagnose anhand positiver Zeichen, die im Rahmen von Anamnese und klinischer Untersuchung zutage treten, gestellt. Dabei gibt es nicht das eine Kardinalsymptom, das die Diagnose sichert. Vielmehr weisen eine ganze Reihe von Auffälligkeiten den Weg, darunter ein plötzlicher Beginn, Triggerfaktoren (Unfall, akute Erkrankung, aktuelle Belastungen etc.), Variabilität und Fluktuation der Symptome bis hin zur Remission sowie funktionelle Begleitbeschwerden (z.B. Schmerzen, Fatigue). Häufig sistiert oder verändert sich das Zittern, wenn man dem Patienten ablenkende kognitive oder motorische Aufgaben stellt.
Zurückhaltung bei der medikamentösen Therapie
In der Behandlung der funktionellen Bewegungsstörungen spielt die Pharmakotherapie kaum eine Rolle, von der Anwendung spezieller Tremormedikamente raten die Autoren der neuen S2k-Leitlinie „Tremor“ ausdrücklich ab. Vorbestehende Verordnungen auf Basis einer Fehldiagnose sollten behutsam ausgeschlichen werden. Die Gabe von Antidepressiva kann bei entsprechender Komorbidität jedoch sinnvoll sein. Botulinumtoxin ist nicht indiziert.
Neues zum dystonen Handtremor
Sofern der dystone Handtremor den Patienten behindert, plädiert das Leitliniengremium aktuell für eine endomyografisch gesteuerte Therapie mit Botulinumtoxin. Deren Wirkung bei guter Verträglichkeit wurde inzwischen in Studien nachgewiesen. Sie erfordert allerdings eine spezielle Ausbildung des Therapeuten. Von Propranolol raten die Experten aufgrund negativer bzw. unzureichender Studienergebnisse ab. Patienten mit schwerem dystonem Händezittern sollte die uni- oder bilaterale tiefe Hirnstimulation empfohlen werden. Bei ausgeprägtem asymmetrischem Zittern ist eine unilaterale MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschalltherapie möglich – allerdings nur im Rahmen von Studien und Registern.
Ausdrücklich empfiehlt das Gremium unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie eine spezialisierte Physiotherapie inklusive Aufklärung und Umschulung von Bewegungsabläufen. Langfristig sollte der Fokus auf einem erfolgreichen Selbstmanagement des Patienten liegen. Zudem plädieren die Leitlinieautoren für eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sofern ein entsprechender Therapieplatz nicht verfügbar ist, kann dieses Element auch in Form von KVT-basierter angeleiteter Selbsthilfe genutzt werden. Dabei erhält der Patient z.B. neben einem Handbuch eine geringe Anzahl von Beratungssitzungen. Bei der KVT lernen Betroffene, wie sich ihr Denken auf Emotionen und Verhalten auswirkt. Ziel ist es, eine positive Veränderung zu erreichen. In einer kleinen Studie konnte durch KVT eine deutliche Tremorreduktion bis hin zur Remission gezeigt werden.
Außerdem kommt bei funktionellem Tremor eine Art Umprogrammierung mittels Biofeedback in Betracht. Dabei wird das Zittern mit geeigneten Geräten gemessen und dem Betroffenen rückgemeldet, z.B. per Lautsprecher oder visuell über den Computerbildschirm. So kann der Patient die veränderte Körperfunktion in Echtzeit wahrnehmen und lernen, sie willkürlich zu kontrollieren. Eine kleine Untersuchung zum „Retraining“ ergab eine signifikante Verbesserung des Tremors. Die repetitive transkranielle Magnetstimulation hingegen bleibt nach Meinung der Leitlinienautoren aufgrund der unklaren Evidenzlage spezialisierten Zentren vorbehalten.
Quelle: S2k-Leitlinie „Tremor“, AWMF-Register-Nr. 030/011, www.awmf.org