Bald zurück in den Beruf
Schwerwiegende Krebserkrankungen lassen sich meist nicht im Handumdrehen behandeln. Oft vergeht mehr als ein halbes Jahr oder länger, bis wieder an eine berufliche Tätigkeit zu denken ist. Viele Patienten sind in dieser Zeit dauerhaft krankgeschrieben. Diagnosen, Operationen, Chemotherapien und Rehabilitationen bestimmen dann den Alltag. Und dieser Alltag ist völlig anders als das Berufsleben. Einerseits sind die Patienten viel freier, auf der anderen Seite aber auch viel eingeschränkter.
Die Therapien belasten und die Sorgen um die Zukunft drücken zusätzlich auf die Stimmung. Ist die Behandlung und Erholung abgeschlossen, stellt sich die Frage: „Wie komme ich zurück in den Beruf?“ „Von null auf hundert hätte ich nie geschafft“, sagt Sebastian, 45, aus Stuttgart. Er hat den Lymphdrüsenkrebs vor einem Jahr besiegt. Langsam aber sicher hat er sich von wenigen Stunden pro Tag, wieder in eine normale Berufstätigkeit zurück gekämpft. „Heute bin ich froh, dass ich wieder Vollzeit arbeiten kann. Wenn auch nicht im alten Beruf und nicht auf der alten Stelle.“
Dr. Helga Seel, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Frankfurt, bringt Licht ins Dunkel der Zuständigkeiten und Möglichkeiten:
Wer ist Ansprechpartner auf dem Weg zurück in den Beruf?
Schon während des Aufenthalts in einer Reha-Klinik finden Menschen mit einer Krebserkrankung im dortigen Beratungsdienst eine wichtige Anlaufstelle, wo sie sich über weitere Möglichkeiten informieren können. Wenn es dann um konkrete Unterstützungsleistungen für eine mögliche Rückkehr ins Arbeitsleben geht, sind die Sozialversicherungsträger zentrale Ansprechpartner. Das sind in erster Linie die Krankenkassen und die Rentenversicherung. Je nach Voraussetzungen kümmern sich aber auch die Arbeitsagentur und die Berufsgenossenschaften um die Wiedereingliederung in das Berufsleben von Krebspatienten.
Die Leistungen dieser Reha-Träger können durch die Integrationsämter ergänzt werden. Gerade was die Beratung angeht, sind auch die Integrationsfachdienste zu nennen. Jede dieser Stellen hat die Verpflichtung, umfassend zu beraten. Welcher dieser Leistungsträger dann für die erforderliche Unterstützung genau zuständig ist, muss im Einzelnen geklärt werden.
Es hängt zum Beispiel davon ab, ob der Betroffene bereits im Berufsleben steht, ob er selbstständig tätig ist, ob er eine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch hat. Im Betrieb selbst sind der Betriebsarzt, der Betriebs-/ Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung vielfach gute Adressen für hilfreiche Hinweise.
Welche Rechte hat der Patient?
Menschen, die aufgrund einer Krebserkrankung Unterstützungsbedarf haben, haben Anspruch, dass sie von den verschiedenen Institutionen gut und zielgerichtet informiert sowie mit ihrem Anliegen ernst genommen werden. Ich rate allen: Stellen Sie Ihre Fragen, nehmen Sie die Einrichtungen in die Pflicht! Es ist ihr Auftrag, aber auch ihr Interesse, dass die Betroffenen zurück ins Arbeitsleben kommen und ihr Leben möglichst viel an Normalität zurückgewinnt. Fühlen Sie sich nicht ausreichend informiert oder es entsteht der Eindruck, dass nicht genügend getan wird, holen Sie sich Hilfe und Tipps von Ihrem Arzt oder vom Sozialdienst des Krankenhauses.
Welche Pflichten hat der Patient?
Aus meiner Sicht ist die wichtigste Pflicht des Patienten eine Selbstverständlichkeit: Die Mitwirkungspflicht. Das heißt, er sollte die Rückkehr in das Berufsleben auch selbst mitgestalten. Dafür ist zum Beispiel ganz wichtig, dass die Schwächen, aber auch die Stärken offen und ehrlich angesprochen werden. Nur dann kann ein Arbeitsplatz gut nach den Bedürfnissen des Patienten und den Möglichkeiten des Betriebes angepasst werden. Bescheidenheit oder falscher Stolz führen früher oder später zu Unzufriedenheit, Überforderung oder auch zu Konflikten.
Noch eine Anmerkung dazu: Das bezieht sich nicht nur auf körperliche Einschränkungen. Auch die Stressresistenz kann nach einer Krebsbehandlung stark eingeschränkt sein. Das muss der Arbeitgeber unbedingt wissen. Sonst kann er nicht richtig reagieren.
Wer steht dem Arbeitgeber zur Seite?
Im Prinzip die gleichen Einrichtungen, die auch dem Patienten zur Seite stehen. Warum? Der Wiedereintritt in das Berufsleben muss gemeinsam geschafft werden. Und daher werden auch die Arbeitgeber mit Informationen versorgt und wenn nötig und möglich auch finanziell unterstützt.
Welches Missverständnis begegnet Ihnen häufig?
Menschen mit einer Krebserkrankung erhalten einen Schwerbehindertenausweis mit einer zeitlichen Befristung von in der Regel bis zu fünf Jahren – die sogenannte Heilungsbewährung. Immer noch wird der damit verbundene Kündigungsschutz als absoluter Schutz vor einer Kündigung verstanden.
Das ist falsch. Auch schwerbehinderte Menschen dürfen gekündigt werden. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, den Arbeitsplatz für den Schwerbehinderten zu erhalten, und das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat. Wichtig ist: Viele gute Beispiele zeigen, wie Menschen mit einer Krebserkrankung mit den Unterstützungsleistungen unseres Reha-Systems den Weg ins Arbeitsleben geschafft haben – das soll Betroffenen Mut machen, die diesen Weg noch vor sich haben.