
Mit Fachwissen und Fingerspitzengefühl Bei der proktologischen Untersuchung spielt die Psychologie eine große Rolle

Ärztinnen und Ärzte sollten sich darüber bewusst sein, dass eine proktologische Untersuchung für sie selbst zwar Routine ist, aber für die Betroffenen eine meist sensible Ausnahmesituation darstellt. Ein empathisches Anamnesegespräch kann der Patientin oder dem Patienten Gelegenheit geben, Scham und Angst vor der anstehenden Untersuchung zu überwinden.
Wichtige anamnestische Fragestellungen beziehen sich auf die Stuhlfrequenz und die Konsistenz bzw. Farbe des Stuhls. Von Interesse ist auch, ob Blut im Stuhl oder am Toilettenpapier zu beobachten waren. Nimmt die Patientin oder der Patient Gerinnungshemmer ein? Gibt es Darmkrebs in der Familie? Wann war die letzte Koloskopie und welches Ergebnis hat sie gebracht? Gab es proktologische Voroperationen?
Bei Unruhe und Panik die Untersuchung abbrechen
Schließlich sollte nach bekannten Hauterkrankungen, einer HPV-Infektion und Traumata in der Anamnese gefragt werden. Letztere können auch psychischer Art sein, wie Missbrauchserfahrungen, und bedürfen einer besonders sensiblen Herangehensweise. Reagieren die zu Untersuchenden mit Unruhe oder gar Panik, ist die Prozedur abzubrechen. Im bekleideten Zustand sollte man dann ein behutsames Gespräch suchen, ggf. mit dem Angebot, dass eine Kollegin oder ein Kollege zu einem anderen Zeitpunkt die Untersuchung wieder aufnimmt. Auch die Begleitung durch eine vertraute Person kann hilfreich sein.
Die Dauer des Schmerzes gibt Hinweise auf dessen Ursprung
Bestehen Schmerzen, muss nach deren Dauer gefragt werden. Akut aufgetretene Schmerzen können von einer Analfissur, Analvenen- oder Hämorrhoidalthrombose, einem Abszess oder einer Herpes-simplex-Infektion ausgehen. Herpesbedingte Schmerzen sind dabei besonders heftig. Länger anhaltende Schmerzen lassen eher eine chronische Fissur oder Analstenose vermuten. Charakteristisch für Fissuren ist ein Postdefäkationsschmerz. Ein tastbarer Knoten kann durch eine Anal- oder Hämorrhoidalthrombose, einen Abszess und selten auch durch einen Tumor hervorgerufen werden. Tumorknoten sind allerdings meist schmerzlos.
Blutende Hämorrhoiden, Fissuren oder eine Proktitis hinterlassen oft Blut auf dem Toilettenpapier. Dessen Farbe (hellrot oder dunkelrot) sagt nichts darüber aus, ob ein Malignom dahinter steckt. Ernst zu nehmen sind reine Blutabgänge als Zeichen einer akuten unteren gastrointestinalen Blutung. Schon kleine Mengen können für Betroffene bedrohlich wirken.
Analer Juckreiz kann mit Hauterkrankungen wie Psoriasis oder Lichen sclerosus, mit Allergien oder mit übertriebener Analhygiene zu tun haben. Von zu häufigem Waschen, Anwendung von Intimsprays oder feuchtem Toilettenpapier sollte man abraten.
Unverzichtbar ist die digitale rektale Untersuchung. Sie dient dazu, die Diagnose zu erhärten und Frühstadien von Karzinomen zu detektieren. Wichtig ist, das behutsame Eindringen des Fingers immer kurz vorher anzukündigen und mitzuteilen, dass Schmerzen sofort kundgetan werden sollen. Manchmal braucht man auch eine Analgosedierung, um richtig untersuchen zu können. Es empfiehlt sich, ein Gleitmittel mit Lidocainzusatz zu verwenden. In Steinschnittlage lassen sich Veränderungen am besten beurteilen. Dies gilt auch für die Prokto- und Rektoskopie. Die Angaben zur Lokalisation mit der „anal clock“ beziehen sich ebenfalls auf die Steinschnittlage. Das Sondieren von Fisteln sollte Untersuchenden vorbehalten bleiben, die damit Erfahrung haben.
Zur proktologischen Untersuchung gehört immer auch die Inspektion der Umgebung des Anus, das heißt der Leistenlymphknoten, der Rima ani, des äußeren Genitales und der Haut. Hier interessieren das irritativ-toxische, das atopische oder das kontaktallergische Analekzem, das sich mit Juckreiz, Brennen, Erythem und Rhagaden äußert. Ursache ist eine gestörte epidermale Barriere aufgrund von exogenen Reizen oder endogenen Faktoren.
Unklare anale Läsionen erfordern eine Biopsie
Zur perianalen Candidiasis gehören Juckreiz, Brennen und Nässen. Die Haut ist gerötet. Oft stehen Papeln und Pusteln im Randbereich. Die Ursache der perianalen Veränderungen lässt sich mit mykologischen oder bakteriellen Abstrichen bzw. Epikutantest absichern. Eine Biopsie und histopathologische Untersuchung ist bei allen Läsionen indiziert, die unklar bleiben, oder die sich therapierefraktär verhalten.
Viele Patientinnen und Patienten können während der Untersuchung keine Informationen verarbeiten. Die Ergebnisse werden daher in einem Abschlussgespräch im wieder angekleideten Zustand erläutert und das weitere Vorgehen besprochen. Hier sollte auch genug Raum für Fragen bleiben.
Quelle: Sterzing D et al. coloproctology 2025; DOI: 10.1007/s00053-024-00852-3