Zwangsstörung Beim pathologischen Horten gilt es, zuerst die Seele zu entrümpeln

DGPPN 2024 Autor: Friederike Klein

Pathologisches Horten raubt Betroffenen die Kontrolle über ihr Leben. Pathologisches Horten raubt Betroffenen die Kontrolle über ihr Leben. © ronstick - stock.adobe.com

Pathologisches Horten raubt Betroffenen die Kontrolle über ihr Leben. Häufig beginnt es schon in der Jugend und wird erst spät erkannt. Experten zeigen, wie durch kognitive Verhaltenstherapie ein strukturierter Neustart möglich wird.

Pathologisches Horten ist eine ernstzunehmende Zwangserkrankung. Vermutlich sammeln die Betroffenen, um unsichere Bindungen zu kompensieren. Erst mit der adäquaten Therapie erlangen die Betroffenen die Kontrolle über ihr Leben zurück.

Menschen, die an pathologischem Horten leiden, haben den unwiderstehlichen Drang, große Mengen an Gegenständen zu sammeln. Oft handelt es sich dabei um Dinge, die objektiv von nur geringem Wert oder gar nutzlos sind, erläuterte Prof. Dr. Ulrich Voderholzer von der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. Dabei müsse man das pathologische Horten nach ICD-11 vom sogenannten Messie-Syndrom abgrenzen. Typisch für einen Messie ist eine grundlegende Desorganisation, die über den Bereich der häuslichen Ordnung hinausreicht und auch das Einhalten von Terminen, soziale Kontakte und das strukturierte Handeln betrifft. 

Die gesammelten Gegenstände sind beim pathologischen Horten für die Patientin oder den Patienten unabhängig vom tatsächlichen Wert immer von Bedeutung. Die Betroffenen geben an, dass sie

  • emotional an den Dingen hängen („Das ist Teil meines Lebens“),
  • die Dinge wegen ihrer Funktion behalten („Das könnte ich nochmal gebrauchen“),
  • die Gegenstände intrinsisch wichtig sind („Es ist so schön“).

Beim pathologischen Horten führt das Anhäufen von Dingen ebenso wie beim Messie-Syndrom in letzter Konsequenz dazu, dass die Betroffenen in der eigenen Wohnung oder in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld nicht mehr angemessen und sicher leben können.

Die Zwangsstörung ist aber deutlich seltener als ein desorganisiertes Vermüllen oder Verwahrlosen, wie man es mitunter bei schwerer Depression, Abhängigkeitserkrankungen oder infolge starker kognitiver Defizite findet. Hilfsorganisationen berichten, dass sie bei knapp 13 % der zugemüllten Wohnungen, zu denen sie gerufen werden, ein pathologisches Horten von Gegenständen vorfinden, aber keine breit angelegte Desorganisation, erklärte Prof. Voderholzer. 

Pathologisches Horten beginnt häufig schon in der Adoleszenz, wird aber meist erst zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr klinisch auffällig. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Es wird angenommen, dass der Störung eine krankhafte Objektbindung zur Kompensation unsicherer Bindungen zugrunde liegt. Komorbid finden sich häufig exzessives Kaufverhalten, ADHS vom unaufmerksamen Typ oder Depression

Prof. Voderholzer empfahl zur Behandlung die kognitive Verhaltenstherapie nach Steketee und Frost. Sie umfasst in der Regel 26 Sitzungen über einen Zeitraum von einem halben Jahr. Jeder vierte Termin soll in der Wohnung von Patientin oder Patient stattfinden. Im Rahmen der Therapie wird ein System zur Ordnung und Organisation der Besitztümer entwickelt. Zugleich trainieren die Betroffenen die Widerstandsfähigkeit gegenüber Verlockungen, etwa bei Wohnungsauflösungen, auf Flohmärkten oder im Internet weiter Dinge zu erwerben.

Andere wichtige therapeutische Elemente sind die kognitive Umstrukturierung ungünstiger Überzeugungen bezüglich der gehorteten Gegenstände und schließlich die schrittweise Auseinandersetzung mit den aversiven Gefühlen beim Entsorgen objektiv überflüssiger Dinge. Wegen der starken Bindung an die Objekte hat es keinen Zweck, die Therapie mit Wegwerfen zu beginnen, betonte Prof. Voderholzer.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V