Burnout Viel zu lange im Dauerstress

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Dauerhafter Stress im Berufsalltag kann bei prädisponierten Personen zum Burnout-Syndrom führen. Dauerhafter Stress im Berufsalltag kann bei prädisponierten Personen zum Burnout-Syndrom führen. © BrianAJackson/ gettyimages

Für das Burnout-Syndrom gibt es keine einheitliche Definition und es stellt keine eigenständige psychiatrische Diagnose dar. Vielmehr bestehen Überschneidungen insbesondere zu Depression, Angst- und Belastungsstörungen, aber auch zum chronischen Fatiguesyndrom. Was bedeutet das für den klinischen Alltag?

Mangels einer einheitlichen Definition und einheitlicher Messinstrumente fehlen belastbare Zahlen zur Häufigkeit des Burnout-Syndroms, berichten Martin Kramuschke, Psychologe am Universitätsklinikum Leipzig, und Kollegen. Eine repräsentative Erhebung im Rahmen der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ zeigte eine Lebenszeitprävalenz der Erkrankung von 4,2% und eine Ein-Jahres-Prävalenz von 1,5% auf. Frauen waren häufiger betroffen als Männer.

In der aktuell gültigen ICD-10 ist das Burnout-Syndrom als Zusatzdiagnose erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Mit dem Inkrafttreten der ICD-11 ist Burnout als qualifizierende Diagnose festgehalten. Das Syndrom wurde jedoch nur in eine ergänzende Kategorie eingeordnet und nicht unter dem Kapitel der psychischen Störungen – es stellt daher weiterhin keine eigenständige psychiatrische oder somatische Diagnose dar.

Erschöpfung, Distanziertheit und Leistungsverlust

Burnout entsteht als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt wird. Beschrieben ist dieser Zustand durch die Symptomtrias aus

  • Gefühlen der Erschöpfung,
  • einer zunehmenden mentalen Distanz gegenüber der eigenen Arbeit oder Gefühlen von Negativismus oder Zynismus,
  • verminderte Effizienz und reduzierte Leistungsfähigkeit im Beruf.

Kritiker bemängeln, dass sich das Burnout-Syndrom ausschließlich auf den beruflichen Kontext bezieht, nicht aber auch auf Überlastungen im Haushalt, bei der Kinderbetreuung oder bei der Pflege von Angehörigen.

Ätiologisch stehen arbeitsbedingte Faktoren im Verdacht, die sich in quantitative und qualitative Einflussgrößen aufteilen lassen. Zu den Ersteren gehören Arbeitsmenge, -geschwindigkeit und -zeit. Zu den Letzteren zählen u.a. die Komplexität der Arbeit, das Fehlen des eigenen Einflusses auf die Arbeit, unklare Arbeitsaufträge, mangelhafte Führung und fehlende Anerkennung. Individuelle Eigenschaften wie ein hohes Selbstwertgefühl, Optimismus und Resilienz können vor einem Burnout schützen. Andere Charakterzüge erhöhen das Risiko, etwa Neurotizismus oder eine externe Kontrollüberzeugung.

Klinisch relevante Messinstrumente zur Erfassung einer Burnout-Symptomatik

Als wertvolle Messinstrumente heben die Autoren das Maslach Burnout Inventory (MBI) und die Burnout-Screening-Skalen (BOSS) I–III hervor. Bei anderen, ursprünglich englischsprachigen Instrumenten fehlt die deutsche Validierung. Eine weitere Möglichkeit zur Diagnostik bieten Messinstrumente, die verwandte Problematiken wie etwa arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) evaluieren. Darüber hinaus existieren Burnout-Messinstrumente für spezielle Berufsgruppen wie Beschäftigte in medizinischen und sozialen Berufen oder Lehrer. Einen Goldstandard, um ein Burnout-Syndrom exakt zu erfassen, gibt es aber nicht.

Beim Vorliegen eines Burnout-Syndroms können zahlreiche weitere Symptome vorhanden sein, die sich mit anderen psychischen Störungen überschneiden. In einer bevölkerungsrepräsentativen Studie zeigte sich, dass 71% der an Burnout Erkrankten auch an einer psychischen Störung litten, wobei

  • 59% eine Angststörung,
  • 57% eine affektive Störung,
  • 27% eine somatoforme Störung

aufwiesen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung stellt den Autoren zufolge eine Herausforderung dar, da symptomatische Überschneidungen insbesondere mit depressiven Störungen, akuten Belastungsreaktionen, posttraumatischer Belastungsstörung und Dyssomnien bestehen.

Auch mit myalgischer Enzephalomyelitis und dem chronischen Fatiguesyndrom (ME/CFS) gibt es in Form des Kardinalsymptoms der Erschöpfung eine Überlappung, so die Autoren, wobei ME/CFS aber als somatische Erkrankung angesehen wird. Zu somatischen Erkrankungen, die mit einem Burnout assoziiert sein können, gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypercholesterinämie, Typ-2-Diabetes, Muskel- und Skeletterkrankungen, Kopfschmerzen und gastrointestinale Probleme.

Die Intervention sollte daher zum einen darauf abzielen, die Verhältnisse bei der Arbeit zu verbessern, also etwa die Arbeitsanforderungen anzupassen (Verhältnisprävention). Dafür bedarf es typischerweise Gespräche mit dem Arbeitgeber. Zum anderen geht es darum, die Symptome zu lindern. Hier sind vor allem Psychoedukation, kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden und Stressregulationstechniken zu nennen. Sinnvoll ist meist eine begleitete, stufenweise Wiedereingliederung in die Arbeit.

Da die Gefahr besteht, dass die Wirkung der Intervention mit der Zeit nachlässt und sich alte Muster wieder einschleichen, empfehlen die Autoren in größeren zeitlichen Abständen „Booster-Sessions“. Gesicherte Empfehlungen zur pharmakologischen Behandlung des Burnout-Syndroms existieren nicht.

Quelle: Kramuschke M et al. Nervenarzt 2024; 95: 484-493; DOI: 10.1007/s00115-024-01649-x