
Unter dem Radar Chagas-Krankheit gehört auch in Deutschland auf die ärztliche Agenda

Wer als Ärztin oder Arzt mit Menschen aus Lateinamerika zu tun hat, sollte sich mit der Chagas-Krankheit und Trypanosoma cruzi auskennen. Akute Symptome bleiben oft unbemerkt, doch langfristig können schwerwiegende Gesundheitsschäden auftreten. Auch für Reiserückkehrende aus Endemiegebieten und die Reiseberatung ist das Thema von Bedeutung.
Der Ursprung der Chagas-Krankheit liegt in Lateinamerika. Hierzulande ist die Tropeninfektion auch bei Ärztinnen und Ärzten wenig bekannt, bedauerte PD Dr. Thomas Zoller vom Fächerverbund Infektiologie, Pneumologie und Intensivmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er verwies auf die erste deutsche Chagas-Leitlinie. „Sie konzentriert sich vor allem auf den Anfang der Kette“, beschrieb der Experte. „Also Erstberatung: Wen und wann muss ich testen? Wie interpretiere ich die Tests? Was sind erste Maßnahmen?“
Hotspot der Chagas-Krankheit ist der nördliche Teil Südamerikas. Besonders betroffen ist Bolivien mit Positivitätsraten unter der einheimischen Bevölkerung von bis zu 50 %, berichtete Dr. Kauer. Der verantwortliche Erreger ist Trypanosoma cruzi. Meist wird der einzellige Parasit durch den Biss einer blutsaugenden Raubwanze auf den Menschen übertragen.
Die Diagnose einer T.-cruzi-Infektion wird vor allem serologisch gestellt. Laut dem WHO-Standard muss man zwei unterschiedliche Verfahren für den Nachweis benutzen, erklärte Dr. Kauer. Die PCR ist speziellen Fragen aus der Perinataldiagnostik oder bei Immunsuppression vorbehalten. Mikroskopie und die Xenodiagnostik sind für die Praxis obsolet. Tropeninstitute, die die Tests qualitätsgesichert durchführen, sind in der Leitlinie aufgeführt.
Infizierte tragen den Erreger lebenslang in sich, meist ohne es zu wissen. Denn die akute Phase der Infektion verläuft häufig unspezifisch. Bei bis zu einem Drittel der Betroffenen kommt es zu schweren Symptomen oft erst Jahrzehnte nach der Infektion. Dann allerdings kann die Krankheit lebensbedrohlich werden: Die Erreger schädigen das Herz oder den Magen-Darm-Trakt. Eine zunehmende Herzschwäche bis hin zu Herzversagen und schwerwiegende Schluck- und Verdauungsstörungen sind die Folge.
Auch in Deutschland leben Menschen, die chronisch mit T. cruzi infiziert sind, machte der Referent deutlich. Bei ca. 140.000 Zugewanderten aus Endemieregionen und einer Seroprävalenz von 2–4 % müsse man landesweit von 2.800 bis 5.600 Menschen mit einer T.-cruzi-Infektion ausgehen. Ein Infektionsgeschehen findet in Europa zwar statt, allerdings nicht über Wanzen, da dort entsprechende Arten fehlen. Zum einen geschieht die Übertragung durch infizierte Mütter, die die Parasiten in der Schwangerschaft oder bei der Geburt an ihre Kinder weitergeben. Zum anderen ist eine Infektion über Bluttransfusionen und Organspenden denkbar.
Auf T. cruzi screenen sollte man vor allem Schwangere aus Endemiegebieten. „Die therapieren wir zwar nicht mehr, wir können aber nach der Geburt das Kind sehr gut behandeln, mit Aussicht auf komplette Heilung.“ Zudem wird das Screening bei Blutspendern und Frauen im gebärfähigen Alter aus den entsprechenden Gebieten empfohlen. Die Untersuchung auf eine T.-cruzi-Infektion wird bei immundefizienten Personen nahegelegt, da sie ein hohes Risiko für atypische Manifestationen haben. Bei allen anderen Zugewanderten aus den Endemiegebieten trifft man die Entscheidung zum Screening nach individueller Abwägung. „Ich persönlich würde eher den meisten raten, sich testen zu lassen.“ Da die Chagas-Krankheit in den Herkunftsländern mit einem erheblichen Stigma belegt ist, müsse man in der Kommunikation aber behutsam vorgehen.
Bei positivem Testergebnis sieht die Chagas-Leitlinie das folgende Vorgehen vor:
- Anamnese und klinische Untersuchung
- 12-Kanal-EKG mit Rhythmusstreifen
- ggf. Echokardiografie und NT-pro BNP
Ungebetene Bettgenossen
Die Raubwanzen, die Trypanosoma cruzi und damit die Chagas-Krankheit übertragen, sind nachtaktiv und kommen ausschließlich in Lateinamerika und im äußersten Süden der USA vor. Sie verstecken sich in einfachen Unterkünften und unbefestigten Häusern und Hütten in den Ritzen von Holz- oder Lehmwänden. Nachts beißen die Wanzen ungeschützte Stellen am Körper der Schlafenden. Über den Kot und den Urin der Tiere, die in die Wunde gelangen, erfolgt die Infektion. Schützen kann man sich mit Bettnetzen. Die auf dem südamerikanischen Kontinent weit verbreitete Raubwanzenart Triatoma infestans zählt als wichtigster Vektor.
Ein normales Kardiogramm schließt zumindest eine Chagas-Kardiomyopathie weitgehend aus. Bei auffälligen Befunden folgt eine entsprechende kardiologische oder gastroenterologische Diagostik. Laut Leitlinie sollen Kontrolluntersuchungen im Jahresabstand erfolgen. Bei chronischer Chagas-Kardiomyopathie muss umgehend die Vorstellung in einem Transplantationszentrum erfolgen, mahnte Dr. Kauer.
An eine akute Chagas-Krankheit bei Personen, die von einer Reise in ein Endemiegebiet zurückkehren mit entsprechender Reiseanamese, sollte man bei Fieber, das ein bis vier Wochen nach einer möglichen Exposition auftritt, denken. Zusätzliche Krankheitszeichen können sein:
- Lid-/Orbitalschwellung ohne Eiter oder Sekretion (Romana-Zeichen)
- kleiner Perikarderguss oder andere Zeichen der Myokarditis
- Chagom
- unspezifische Entzündungszeichen
Die antiparasitäre Behandlung in der Frühphase der Infektion erfolgt mit Benznidazol oder mit Nifurtimox.
Quelle: 26. Forum Reisen und Gesundheit