Assistierter Suizid Darf das sein?

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Zu den häufigsten Gründe für den Wunsch nach dem assistierten Suizid sind die Angst vor Leid und die Abwägung, ob das Leben noch lebenswert scheint. Zu den häufigsten Gründe für den Wunsch nach dem assistierten Suizid sind die Angst vor Leid und die Abwägung, ob das Leben noch lebenswert scheint. © pattilabelle – stock.adobe.com

Mit Holzkohlegrill im Bad einschließen oder die Heliumtüte über den Kopf stülpen: Jede Form der Selbsttötung ist bei uns erlaubt – solange der bzw. die Suizidwillige sie selbst durchführen kann. Das gilt auch beim assistierten Suizid, „Tatherrschaft“ lautet das oberste Gebot. 

Dr. Harald Braun, Allgemein- und Palliativmediziner sowie Medizinethiker aus Groß-Gerau, nennt als häufigste Gründe für den Wunsch nach dem assistierten Suizid die Angst vor Leid und die Bilanzierung, also die Abwägung, ob das Leben noch lebenswert scheint. „Wenn ein 85 jähriger, eventuell schwerkranker Mensch einfach keine Lust mehr hat weiterzuleben, fällt das in die Kategorie ,Bilanzsuizid‘.“ Ein typisches Beispiel dafür war der Unternehmer und Fotograf Gunter Sachs, der sich erschoss, nachdem er erste Zeichen einer Demenz an sich wahrnahm. Er wollte sein Leben beenden, bevor er die Kontrolle darüber verliert.

Doch der ärztlich assistierte Suizid führt zu anhaltenden Diskussionen in der Ärzteschaft. „Es gibt viele paternalistische oder sehr religiöse Kolleginnen und Kollegen, die klar sagen: Das darf nicht sein“, erklärt Dr. Braun. Betroffene würden dann oft „psychiatrisiert“, d. h. als psychisch krank abgestempelt. „Aber nicht jeder Suizidant hat eine Depression“, betont der Medizinethiker.

Hilfsangebote können nicht jeden erreichen

Viele Behandelnde vertreten zudem die Ansicht, sie könnten mit genügend Hilfsangeboten und Überzeugungskraft jeden Menschen mit Sterbewunsch davon abbringen. „Es gelingt tatsächlich in den allermeisten Fällen, indem wir belastende Symptome wie Schmerzen effektiv lindern und durch Gespräche Ängs­te nehmen können“, sagt der Palliativmediziner.

Aber man sollte auch respektieren, wenn jemand trotz allem keinen Lebenswillen mehr hat. Bei schweren organischen Leiden und ausgeprägter Symptomlast gebe es zudem die Möglichkeit, eine palliative Sedierung anzubieten.

Dr. Braun hat den assistierten Suizid nur äußerst selten unterstützt, er verweist in der Regel an die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Sterbewillige müssen dort allerdings mindestens sechs Monate Mitglied sein, ehe die unterstützte Selbsttötung infrage kommt. Durchgeführt wird sie dann unter ärztlicher und anwaltlicher Aufsicht mittels Thiopentalinfusion. Die Braunüle dafür wird gelegt – aufdrehen müssen die Betroffenen selbst, denn sie müssen die Tatherrschaft behalten.

Für die Assistenz beim Suizid in ärztlicher Eigenregie ohne Unterstützung der DGHS wird hierzulande in der Regel orales Phenobarbital als Großpack mit 200 Tabletten à 100 mg verschrieben. Mit den 20 g lässt sich der Tod relativ sicher herbeiführen. Dr. Braun hat das in seinem Leben insgesamt drei- oder viermal verordnet. Ob die Patientinnen und Patienten es wirklich genutzt haben oder letztlich doch eines natürlichen Todes gestorben sind, hat er aber nie hinterfragt.

Die Sterbekapsel

In der Schweiz hat sich im September 2024 erstmalig eine Frau im „Sarco“, auch Sterbekapsel genannt, suizidiert. Man legt sich in diese Kapsel mit integriertem Sarg hinein und drückt einen Knopf. Dadurch flutet Stickstoff ein. In weniger als 60 Sekunden falle dadurch der Sauerstoff in der Kapsel auf unter 1 % ab und binnen fünf Minuten trete der Tod durch Hypoxie ein, so der Hersteller. Das Gerät lässt sich alternativ über Gesten, eine Sprachsteuerung oder Augenbewegungen aktivieren. Damit können es auch körperlich schwer eingeschränkte Kranke nutzen.

Kritiker fürchten unter anderem, dass es durch Fehlfunktionen der Kapsel zu qualvollen Sterbeprozessen kommen könnte. Außerdem wird der einsame Tod – abgeschnitten von Angehörigen oder anderen Begleitenden – bemängelt. Dr. Braun sieht in dem Ganzen eher einen Hype, für ihn ist es bestenfalls „EINE Methode von vielen“.


Befinden Sie sich derzeit selbst in einer schwierigen Lage? Expert:innen können Ihnen helfen, diese Zeit zu überstehen. Hier finden Sie eine Auswahl von Anlaufstellen »