Schwangerschaftsübelkeit Wie der Verzehr einer ungewöhnlichen Substanz zu schwerer Hypokaliämie führte
Der Fall einer 38-jährigen Schwangeren verlangte Detektivarbeit vom Ärzteteam. Schon in den vorherigen zwei Schwangerschaften hatte es Probleme gegeben. Das erste Kind war wegen einer intrauterinen Wachstumsretardierung per Sectio entbunden worden, das zweite wegen schwerer Präeklampsie in der 35. Woche.
Beschwerden hatte die Patientin aktuell nicht. Doch die wegen der Proteinurie veranlasste Abklärung ergab eine ausgeprägte Hypokaliämie mit 2,3 mmol/l. Dazu kam eine metabolische Alkalose, die weder durch Erbrechen noch durch Diarrhö zu erklären war, berichtet ein Team um Dr. Elisa Sieghartsleitner von der Universitätsklinik Graz. Die Frau versicherte, keine Medikamente einzunehmen. Auch in den vorangegangenen Schwangerschaften seien niedrige Kaliumspiegel beobachtet worden, die sich dazwischen wieder normalisiert hätten.
Da eine orale Kaliumsubstitution innerhalb von drei Wochen nicht zu einem Anstieg des Spiegels führte, wurde die Patientin zur i.v. Substitution stationär aufgenommen. Eine Pubmed-Recherche führte die behandelnden Ärztinnen und Ärzte schließlich zu einer möglichen Ursache, die ihnen bisher nicht geläufig war: die Geophagie – der Verzehr von Tonerde. Da diese im Darm Kalium bindet, kann der Konsum zu einer Hypokaliämie führen. Danach befragt, gab die Patientin tatsächlich an, wegen Schwangerschaftsübelkeit und Sodbrennen Tonerde zu sich zu nehmen. Drei große Stücke davon führte sie in ihrer Handtasche mit. Sie konnte davon überzeugt werden, auf die Tonerde zu verzichten und daraufhin mit einem Kaliumspiegel im Normbereich entlassen werden.
Trotz Tonerdeverzicht erneute Hypokaliämie
Doch schon zwei Wochen später war der Spiegel wiederum abgefallen, ohne dass die Frau erneut Tonerde zu sich genommen hatte. Da die Substanz jedoch noch einige Monate im Darm zurückbleiben kann, bindet sie dort weiterhin Kalium, auch wenn der Konsum längst eingestellt wurde. Dies erfordert eine längere Substitution. Als schließlich auch der Wert für die Kreatinkinase bei der Patientin deutlich anstieg, wurde sie wegen des Verdachts auf eine hypokaliämieinduzierte Rhabdomyolyse auf die Intensivstation verlegt. Es entwickelte sich eine Präeklampsie, die eine Sectio in der 27. Woche erforderlich machte. Postpartal normalisierten sich Kalium- und Kreatinkinasewerte. Nach sechs Monaten konnte die Kaliumsubstitution beendet werden.
Die Geophagie ist eine der häufigsten Formen des Pica-Syndroms. Das bezeichnet die Einnahme von Substanzen ohne jeglichen Nährwert und kommt gerade in der Gravidität unerwartet häufig vor. Fällt die Wahl auf Erde, kann eine Eisenmangelanämie ursächlich sein, manche Frauen mögen aber einfach den Geschmack oder die Beschaffenheit. Jede Schwangere mit einer unerklärlichen Hypokaliämie sollte man danach fragen, rät das Autorenteam. Es betont gleichzeitig, dass sich Heilerde in richtiger Dosierung als Naturheilmittel bewährt hat, z. B. bei Refluxbeschwerden.
Das Pica-Syndrom ist viel häufiger als gedacht
Die Prävalenz von Pica wird unterschätzt. Betroffene berichten oft nicht davon, weil sie den Konsum dieser Substanzen für normal oder unwichtig erachten oder sich sogar dafür schämen. Die Auswirkungen für Mutter und Kind hängen von der Art der eingenommenen Stoffe ab. Der Mutter drohen u. a. Zahnschäden, Obstipation oder eben eine Hypokaliämie, eventuell leidet die Bioverfügbarkeit wichtiger Mikronährstoffe. Frühgeburtlichkeit oder Wachstumsretardierung können den Fetus betreffen.
Quelle: Sieghartsleitner E et al. Gynäkologie 2024; doi: 10.1007/s00129-024-05289-9