Therapieerfolg Die Kraft der Worte

Autor: Alexandra Simbrich

Für den Ausstieg aus dem Gespräch sollte man
positive Aussagen wählen. Für den Ausstieg aus dem Gespräch sollte man positive Aussagen wählen. © Fokussiert ‒ stock.adobe.com

Erwartungshaltung, Erfahrungen und Lernprozesse können den Effekt von medizinischen Maßnahmen beeinflussen – sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit als auch der Verträglichkeit. Dies sollte man im täglichen Umgang mit Patienten stets bedenken und entsprechend agieren.

In der Medizin werden Wirkvariablen, die nicht rein pharmakologischer Natur sind, gemeinhin als Placebo- bzw. Noceboeffekte bezeichnet. Die dahintersteckenden psychologischen und neurobiologischen Mechanismen sind in zahlreichen Studien beschrieben, so Prof. Dr.  ­Sven ­Benson, Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Neben Scheinmedikamenten oder Sham-Prozeduren kann auch ein ärztliches Gespräch eine – im besten Fall positive – Wirkung zeigen. Die psychologischen Abläufe dahinter lassen sich grob drei Bereichen zuordnen:

  • Erwartungseffekte
  • Lernprozesse
  • soziale Interaktion

Positive Erwartungen aufseiten des Patienten können im Gespräch durch entsprechende Informationen und eine Wertschätzung der medizinischen Intervention hervorgerufen werden, erläutert Prof. Benson. So habe z.B. in Studien der Hinweis, dass es sich bei dem Arzneimittel um einen „neuen, hochwirksamen“ Wirkstoff handle, bereits zu einem besseren Outcome des Scheinmedikaments geführt oder aber die Wirksamkeit eines Verums verstärkt. 

Was der Faktor Information hinsichtlich Nebenwirkungen leisten kann, zeigte eine Studie zu postoperativem Schmerz nach Brustkrebs­operation: Patientinnen, die im Rahmen des anästhesiologischen Aufklärungsgesprächs mit positiven Aussagen über die Studie versorgt worden waren, äußerten nach dem Eingriff eine geringere Schmerzbelastung als jene, die neutrale Informationen erhalten hatten.

Einen besonderen Stellenwert im Hinblick auf die Erwartungshaltung haben Formulierungen, die auf schmerzassoziierte Begriffe verzichten, betont Prof. Benson. Dies bedeute auch, negative Formulierungen nicht einfach zu verneinen. Denn in Aussagen wie „Es tut nur ein bißchen weh“ stecke die Information, dass es überhaupt schmerzhaft werden könne.

Ein weiterer Punkt sind frühere Erfahrungen des Patienten. Diese lassen sich gezielt nutzen, um medikamentöse Therapien zu unterstützen und zu optimieren. Untersuchungen zu diesem Thema gibt es v.a. aus dem Bereich der Placebo­analgesie. Ein Experiment mit gesunden Probanden im Kraftraum verdeutlicht die Macht der Konditio­nierung: Nachdem die Teilnehmer am ers­ten Tag Muskelübungen bis über die Schmerzgrenze ausführen mussten, bekamen sie an den folgenden Versuchstagen vorab Morphin – und hielten länger durch. Wurde der Wirkstoff nach einigen Tagen ohne Wissen der Probanden gegen ein Placebo ausgetauscht, brachen sie leistungsmäßig zwar ein wenig ein, machten aber deutlich länger mit als an Tag 1.

Ärztliche Zugewandtheit verdoppelt Wirkung

Vorteilhaft ist zudem eine zugewandte Arzt-Patienten-Interaktion. So haben mehrere Studien gezeigt, dass eine vom Arzt angehängte Schmerzmittelinfusion der Verabreichung per computergesteuerter Pumpe deutlich überlegen ist. Nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Gesprächs zu Ablauf und Wirkung der Infusion konnte die Wirksamkeit nahezu verdoppelt werden!

Als weiteres Werkzeug zur Steigerung von Therapieeffekten nennt Prof. Benson das positive Framing, also die geschickte Einbindung von Informationen in einen Kontext. So lässt sich z.B. mit der Aussage „200 von 600 Leben werden gerettet“ statistisch gesehen dasselbe ausdrücken, wie mit „400 von 600 Leben gehen verloren“ – Ersteres klingt jedoch besser. Positives Framing kann beispielsweise dafür genutzt werden, um das Auftreten von Nebenwirkungen als Zeichen für ein besonders gutes Anschlagen der Therapie zu vermitteln.

Auch der Dramaturgie von Arzt-Patienten-Gesprächen sollte man eine gewisse Aufmerksamkeit widmen. Im Sinne des Primacy- bzw. Recency-Effekts empfiehlt es sich, für das Ende des Gesprächs positive Aussagen zu wählen, statt mit Unwichtigem oder Informationen über Nebenwirkungen auszusteigen.

Aktives Zuhören, Widerspiegeln, Empathie

Ein weiterer wesentlicher Faktor im Zusammenhang mit Placebo- und somit Therapieeffekten ist die empathische Kommunikation. Diese umfasst Dinge wie aktives Zuhören, Widerspiegeln von wichtigen Aussagen des Patienten sowie ein Verständnis für Sorgen und Ängste.

Gewissermaßen das Gegenstück zur Placebowirkung sind die durch negative Erwartungen oder Erfahrungen ausgelösten Noceboeffekte. Im Gespräch können z.B. Fachjargon und negative Formulierungen wie „Sie sind ein Risikopatient“ oder „10 % der Patienten erleiden Nebenwirkungen“ den Therapie­erfolg beeinträchtigen. Besser wäre in letzterem Fall die Formulierung: „Neun von zehn Patienten haben die Therapie gut vertragen“.

Welche Auswirkungen Placebo- und Noceboeffekte bei Kindern und Jugendlichen haben, wurde bislang kaum untersucht. Eine wichtige Rolle könnte bei diesen Patienten der sogenannte Placebo-by-Proxy-Effekt spielen. Dabei werden die Erwartungen der Bezugspersonen, etwa der Eltern, auf die Kinder übertragen.

Quelle: Benson S. internistische Praxis 2022; 66: 155-164.