Diktator-Doc: Der Arzt als Herrscher
Eine medizinische Ausbildung schützt nicht vor grausamen Taten. Das wird leider aktuell einmal wieder vom Ophthalmologen Bashar al-Assad in Syrien demonstriert. Aber kann man aus seinem abstoßenden Beispiel oder der langen Opferliste des einstigen haitianischen Tyrannen Papa Doc schon schließen, dass Mediziner an der Macht eher die schlechtere Lösung sind?
Dr. Ethan Ludmir vom MD Anderson Cancer Center in Houston und Kollegen haben nachgerechnet und tatsächlich Indizien für diese ernüchternde Theorie gefunden. In den vergangenen siebzig Jahren gab es in den untersuchten 176 Ländern 1254 Präsidenten, Premierminister und autoritäre Herrscher. 2,6 % – davon waren Ärzte, 1,2 % hatten einen anderen medizinischen Hintergrund, waren zum Beispiel Krankenpfleger, Tier- oder Zahnärzte.
Autokratische Tendenzen versuchten die Autoren mit einem sogenannten politischen Score mathematisch zu erfassen: Die Punktzahl plus zehn verleiht lupenreinen Vorbilddemokraten, Stalin und seinesgleichen bekommen dagegen minus zehn Punkte. Ein Arzt an der Staatsspitze bringt es im Schnitt auf 0,67 Punkte und lässt damit eine Vorliebe für autoritäre Strukturen erkennen. Andere Mitglieder der Gesundheitsbranche schnitten mit 0,99 Punkten besser ab, der Mittelwert insgesamt lag bei 3,3 Punkten.
Weg von den autoritäten Strukturen in der Medizin
„Das offenbart eine verstörende Korrelation zwischen Ärzten und autoritären Regimen“, heißt es in dem Text. Ein Vorbild steht parat: Biologen, Physiker und die Angehörigen anderer wissenschaftlicher Professionen. Mit 4,84 Punkten stellen Angela Merkel und Kollegen eine überdurchschnittlich sichere Wahl dar.
Die Ursachen für diese Beobachtung seien sicherlich komplex, meinen die Kollegen, dennoch böten die Daten Gelegenheit zu wichtigen Selbst-Reflexionen – gerade angesichts des Ärzten gerne zugeschriebenen Gotteskomplexes. „Eine Abkehr von den eher autoritären Strukturen in der Medizin hin zu einem partizipativeren Entscheidungsmodell könnte hier sicherlich eine vielversprechende Maßnahme sein.“
Quelle: Ludmir EB et al. Lancet 2017; 390: 1023