Lungenkrebsscreening Experten plädieren für ein klar strukturiertes Vorgehen
Ein Programm zur Früherkennung von Lungenkrebs mittels regelmäßiger Low-Dose-Computertomografie (LDCT) kann dazu beitragen, die lungenkrebsbedingte Sterblichkeit und die Gesamtmortalität in Risikogruppen zu reduzieren. Der Referentenentwurf des BMUV* sieht für die Teilnahme an einem solchen Screening die folgenden Eingangskriterien vor:
- Alter zwischen 50 und 75 Jahren
- Kombination von mindestens 25 Jahren Rauchdauer sowie eine kumulative Exposition von ≥ 15 Packungsjahren
- maximale Abstinenzzeit von zehn Jahren seit dem Rauchstopp
Ein Screeningintervall wird nicht vorgegeben. Indirekt heißt es, dass die Untersuchung nicht öfter als einmal im Jahr stattfinden soll,
schreiben Prof. Dr. Torsten Blum vom Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin und Co-Autoren.
Die Publikation der BMUV-Rechtsverordnung wird für Ende 2023 erwartet. Anschließend muss der G-BA innerhalb von 18 Monaten eine Umsetzungsrichtlinie erarbeiten. Bis diese fertiggestellt ist, dürfen allerdings schon Screeninguntersuchungen durchgeführt werden –
unstrukturiert und ohne Qualitätssicherung. Dadurch droht „ein Übermaß an Schwachstellen und Fehlerquellen entlang der gesamten Prozesskette“, warnen die Autoren in ihrem Positionspapier, das sie im Namen der Deutschen Röntgengesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie verfasst haben.
Prinzipiell ist bei einem Screening mit einigen Fallstricken zu rechnen, z.B. mit Überdiagnosen, also Tumoren, die ohne das Screening zu Lebzeiten des Patienten gar nicht entdeckt worden wären, oder mit falsch positiven Befunden. Deren Rate lag in einer Screeningstudie bei 23,3 %, in einer anderen, bei der man auch Verlaufsuntersuchungen berücksichtigte, nur bei 1,2 %.
Für den einzelnen Teilnehmer kommt es darauf an, dass der erwartete Gewinn an Lebenszeit infolge der Früherkennung eines Lungenkarzinoms die Risiken der Untersuchung übersteigt. Deshalb sollten Screeningkandidaten ein hinreichend hohes Lungenkrebsrisiko aufweisen und gleichzeitig so gesund sein, dass eine potenzielle Diagnose und Therapie zu einem relevanten Gewinn an Lebensjahren führt, betonen die Experten. Sie schlagen u.a. Folgendes für ein strukturiertes Lungenkrebsscreening vor.
1 Interessierte und potenziell geeignete Teilnehmer sollten von einer Zentralstelle persönlich angeschrieben und eingeladen werden. Darüber hinaus sind die Ärzte gefordert, ihre Risikopatienten für das Screening zu motivieren. Hilfreich ist eine zentrale Screening-Website, auf der Interessierte ihre Gesundheitsdaten eingeben können, um dann ggf. vom nächstgelegenen Zentrum eingeladen zu werden.
2 Qualifizierte Allgmeinmediziner, Internisten und Arbeitsmediziner beraten den Patienten gemäß den Vorgaben der BMUV-Rechtsverordnung und
der noch zu erarbeitenden G-BA-Richtlinie. Sie prüfen, ob die Einschlusskriterien für das Screening erfüllt sind, klären über die Risiken (u.a. strahleninduziertes Malignom, Überdiagnose, falsch positive und falsch negative Befunde) und den Ablauf des Screenings auf. Sie dokumentieren den Raucherstatuts und thematisieren die Raucherentwöhnung.
3 Die rechtfertigende Indikation für eine LDCT der Lunge stellt ein in der Lungenkrebsdiagnostik spezialisierter und zertifizierter Radiologe. Dabei soll er die Risikoeinschätzung des qualifizierten Arztes (s. Punkt 2) berücksichtigen.
4 Die LDCT-Früherkennungsuntersuchung wird in akkreditierten Einrichtungen durchgeführt. Dafür steht eine spezielle Software zur Verfügung.
5 Die strukturierte Befundung und Bewertung der LDCT erfolgt durch einen qualifizierten Radiologen mithilfe qualitätsgesicherter Befundungssoftware. Abhängig von den erhobenen Befunden ist eine Zweitbeurteilung durch einen geeigneten Radiologen in einem auf Lungenkrebs spezialisierten Zentrum oder gar eine interdisziplinäre Fallkonferenz mit mindestens einem Radiologen, Pneumologen und Thoraxchirurgen erforderlich.
6 Liegt ein negativer oder ein gutartiger Screeningbefund vor, erfolgt die nächste Screeningrunde regulär, d.h. nach einem Jahr, wobei wiederum die zentrale Koordinationsstelle einlädt. Bei kontrollbedürftigen Befunden wird die nächste LDCT dagegen vorgezogen. Das Intervall kann je nach Dringlichkeit drei bzw. sechs Monate betragen. Patienten mit klinisch abzuklärenden Screeningbefunden verlassen den Früherkennungsprozess. Gleiches gilt bei jenen, die die Altersobergrenze erreichen.
7 Fest zum LDCT-Screeningprogramm sollte die Tabakentwöhnung gehören. Schon die einmalige Intervention verringert die lungenkrebsbedingte Mortalität und die Sterblichkeit wegen anderer tabakassoziierter Krankheiten. Bei einer Kombination von Rauchverzicht und Screening addieren sich die positiven Effekte auf die Sterberate. In einer Studie gelang es 30 % der an einem Lungenscreeningprogramm teilnehmenden Raucher, den Tabakkonsum zu beenden.
Quelle: Blum TG et al. Pneumologie 2023; DOI: 10.1055/a-2175-4580
* Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz